Re: Tales from the Table (D&D 5E): Death men don't wear plate
Verfasst: 27 Dez 2022, 14:41
Taschendimensionen 2
Am Morgen wurde ich wach und hatte eine fürchterliche Idee. Die Museen hier waren voll von seltsamen Artefakten und grässlichen magischen Gegenständen. War der Angriff gegen Viridicus und sein Haus vielleicht nur eine Ablenkung gewesen? Fehlte was, was besser nicht fehlen sollte? Das sollten wir Viridicus fragen.
Zum Frühstücken kamen wir nicht mehr. Wir sollten uns sofort (!!!) am Naturkundemuseum einfinden. Ich schnappte mir noch ein paar Muffins und wir liefen los.
Dort stand Viridicus, eine kleinere Armee von Teufeln und vier weitere Kampfwagen. Diese waren allerdings deutlich kleiner als unserer und mit einem langen Rohr auf der Ladefläche ausgestattet. Rote Runen blinkten infernalisch auf den Rohren herum. Besetzt waren die Wagen mit unseren Saufkumpanen von letztens. Ich winkte ihnen freundlich zu. Die Verteilung war wie bei uns, die Frauen fuhren und die Männer bedienten die Geschütze.
"Ah, da seid ihr ja endlich," brummte Viridicus, "ich hoffe, ihr habt gut geschlafen, während wir gearbeitet haben?"
"Leidlich, eure Gönnerschaft, wir wurden etwas abrupt herausgerufen." Ich biss ein weiteres Stück von meinem Muffin ab.
"Schluck das endlich runter, verdammt nochmal, und dann ab an die Arbeit. Hier, in meinem Museum für Naturgeschichte scheint sich der Mutterriss zu befinden. Abyssale Kreaturen klettern auf meinen Ausstellungsstücken herum." Seine Stimme wurde lauter und schriller. "AUF MEINEN EXPONATEN!"
Er holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen.
"Euer Auftrag lautet: Fahrt durch die Räume und tötet alles. Wirklich alles. Ich wünsche eine vollständige Desinfektion. Euch folgen die Kampfwagen hier und reinigen die Hallen."
"Verzeiht die Frage," mischte sich Xera ein, "sind noch weitere Klienten von euch da drinnen?"
"Ja, aber wir haben keine Lebenszeichen mehr. Daher gehe ich davon aus, dass sie entweder tot oder besessen sind."
Hinter uns rumpelte es vernehmlich und der Bartteufel fuhr Behemoth vor.
"Oha, mit dem Ding bleibt aber nicht mehr viel stehen."
"Die Gänge sind breit genug. Ich wünsche minimalen Schaden an Vitrinen und Exponaten."
"Eure Gönnerschaft, der Skorpion ist ein wenig eingeschränkt in seiner Bewegungsfähigkeit. Eigentlich schießt er nur nach hinten. Außerdem wären Scheiben nicht schlecht, denn bei Regen, Staubstürmen oder spritzendem Dämonenblut sieht man auch nicht viel. Ich sollte mal mit eurem Chefkonstrukteur sprechen."
Viridicus drehte sich um und fixierte den Bartteufel. "Ed, hast du ihnen die Sicherheitsprotokolle erklärt?"
Die normalerweise sehr rote Hautfarbe von Ed verblasste zu einem hellen Rosa.
"Ähm, also ... nein."
"Dann hol das sofort nach und dann meldest du dich in der Folterkammer. 20 Einheiten auf Stärke 5 sollten dein Gedächtnis wieder in Gang bringen."
"Ja Meister, sofort Meister."
Da hatte jemand sehr schlechte Laune.
"Eure Gönnerschaft, bitte verzeiht die nochmalige Störung, aber ich habe eine Idee."
"Und welche?"
"Der Angriff gestern, galt der wirklich euch? Oder war das eine Ablenkung, um ungestört etwas aus einem eurer Museen zu entwenden? Ich komme darauf, weil wir ja schon einmal während der Rückkehr von Dämonen überfallen worden waren, die uns das Buch der Toten stehlen wollten."
"…"
"Nun, ich sehe, die Idee ist euch noch nicht gekommen. Da hat es ja einen Vorteil, dass ich im übelsten Intrigensumpf des Universums sozialisiert wurde." Ich grinste.
"Danke, ich lasse das prüfen."
Behemoth war erfreut, dass wir wieder mit ihm fuhren und beglückwünschte uns zu unserer 'interessanten' Jungfernfahrt.
"Wo soll es heute hingehen, meine Gebieterin?"
"Da rein, Dämonen töten." Sie zeigte auf das Gebäude.
"Jawoll, alles plattmachen." Es kicherte aus dem Armaturenbrett.
Ich glaube, wenn Bahamut ruft, wird sie den Wagen mitnehmen wollen.
Ed erklärte uns die Zusatzfunktionen der Bordeinrichtung. Man konnte den Skorpion entriegeln und dann war er tatsächlich rundum zu benutzen. Besser noch, Spruchbenutzer konnten Zauberplätze in ihn laden und damit die Wirkung verstärken. Das funktionierte wohl ähnlich wie bei Xeras gleißendem Schaden.
Man konnte Fenster hochfahren, allerdings bestanden die aus infernalischem Feuer und man war praktisch blind. Dafür kam nicht mehr viel von außen in das Innere der Fahrgastzelle. Die Plattform mit der Armbrust blieb offen.
Wir bekamen jeder eine Atemschutzmaske in die Hand gedrückt mit der Warnung, sie drinnen niemals abzunehmen. Abyssale Luft wäre ungesund. Neben dem Eingang waren Kisten mit Ausrüstungsgegenständen gestapelt. Leider vergaß man auch hier wieder, uns das zu sagen. Was da drin war, würden wir später kennenlernen.
Ich schlenderte zu unseren Kumpels rüber.
"Hallo Heinrich, wie geht's? Was sind das hier für Wagen?"
Der grinste zu mir herunter. "Das sind die Kampfwagen Typ 2, 'Flammingo'."
"Flamingo? Die Wagen sind doch nicht rosa."
Die Herren und Damen oben in den Wagen fanden das wohl ungeheuer witzig und lachten sich kaputt.
"Das ist ein Wortspiel. Wirst gleich sehen, was damit gemeint ist."
Die Museen, also deren Inneres, waren ebenfalls Taschendimensionen, erklärte uns Viridicus. Hier konnte man nur an einer Stelle heraus und das war der Haupteingang. Der Vorraum war bereits gereinigt und am Durchgang zum zweiten Raum hatte man eine Art Energiefeld installiert, welches milchig war und leicht durchsichtig.
"Wie macht man das auf?", wollte ich wissen.
"Ihr gar nicht. Stellt euch davor und winkt. Das Öffnen geht nur von dieser Seite. Das ist ja der Sinn eines solchen Verschlusses."
Also dann. Der Vorhang fiel und fünf Kampfwagen fuhren langsam in die nächste Halle. Hinter uns flackerte der Energieschirm sofort wieder auf.
Der erste Raum wirkte noch leidlich intakt. Auf den Scheiben der Vitrinen waren Schlagspuren zu sehen und in einigen klafften faustgroße Löcher. An den Kanten der Vitrinen hatte sich ein rosa und purpurfarbener Belag gebildet, ein wenig wie Algen an der Wetterseite eines Gebäudes. In der Luft trieben kleine Staubflöckchen, die einen ähnlich Farbton aufwiesen. Gesund sah das wirklich nicht aus. Die Kampfwagen fächerten sich auf und begannen, systematisch Boden, Vitrinen und Decke zu säubern. Aus den Rohren schlugen gelblichorange Flammenzungen und verbrannten das Zeug in Bruchteilen von Sekunden. 'Flammingo', haha, selten so gelacht. Die Wagenbesatzungen gingen sehr methodisch vor, um ja kein Fleckchen auszulassen.
Wir fuhren dieweil den Hauptgang entlang und näherten uns dem nächsten Durchgang.
Hier war die avianische Abteilung und wir hörten ein Kichern und Schnattern aus der Mitte des Raumes. Dort stand neben anderen eine Vitrine von gut zehn Meter Höhe, die diverse größere Vogelskelette behauste. In dieser Vitrine war oben ein breites Loch. Wir sahen zusätzlich noch zwei bis drei geflügelte kleine Dämonen, die durch die Skelette turnten, aber die Quasits, denn um solche musste es sich handeln, machten sich beim Anblick von Behemoth sofort unsichtbar.
Die waren lästig, aber harmlos, glaubte ich zu wissen. Die sollten so ähnlich wie ihr Äquivalent aus der Hölle sein, also wie ein Imp. Man kann sich bei so etwas täuschen, wie wir gleich merken würden.
Ich feuerte auf die vermutete Stelle des Dämonen im Brustkorb des großen Vogels, aber die Scheibe lenkte den Schuss ab und zerplatzte dann.
Wir hörten eine abyssale Beschwörung und das riesige Vogelskelett wurde lebendig. Klauen an den Flügeln packten die Scheibe und rissen die Reste aus der Verankerung. Dann kletterte das Skelett heraus. Leider waren nicht nur die morschen Vogelknochen animiert worden, sondern auch die Stahlstreben, auf denen es aufgebaut war. Das Ding beugte sich über den Wagen und pickte nach Xera. Die hackte sich durch die Rippen, aber ihr Schwert wurde von einem der Träger aufgehalten.
Zwei kleinere Skelette begannen, sich ebenfalls zu bewegen. Die beiden verzierte ich mit einem Feenfeuer, um unsere Trefferchancen zu erhöhen. Siehe da, die Skelette und ihre Insassen wurden mit lapisblauem Leuchten überzogen. Das merkten auch die beiden kleinen Dämonen und begannen, uns zu beschimpfen. Einem feuerte ich zur Belohnung die infernalische Lanze in den Körper und er und sein Reittier lösten sich in Knochenmehl und Dämonenblut auf.
Die kleinen Plagegeister hatten aber noch mehr drauf. Die kleinen Skelette waren von den Vogelmännern, die wir besucht hatten. In unseren Köpfen hallten plötzlich Worte wider: "Amhil! Amhil!"
Das warf mich für einen Moment völlig aus der Bahn und ich vergaß, weiter zu schießen. Das nutzte das zweite Skelett tückisch aus und verpasste mir einen üblen Schnabelhieb. Wenigstens wurde ich dadurch wieder wach und erschoss den kleinen Plagegeist im Innern. Xera hatte in der Zwischenzeit ihren Gegner ebenfalls überwältigt, nicht ohne ebenfalls einige Blessuren abbekommen zu haben. Das ging ja gut los.
Xera rief ihr Göttliches Gespür und sah sich um. Im Raum waren keine Dämonen mehr. Dafür entdeckte sie zu unser beider Entsetzen eine Aura an uns. Wir waren untot! Nicht besonders dolle, aber gut sichtbar. Mist, ich dachte, wir wären wiedergeboren worden. Offensichtlich waren wir nur belebt. Nun gut, ich hoffte sehr, dass Bahamut da was drehen konnte, wenn es drauf ankam. Schließlich machte uns das verwundbar bei bestimmten Priestertypen. Andererseits wirkten Heiltränke bei uns und das konnte nicht sein, wenn wir wirklich und wahrhaftig Untote wären. Gut, das Problem mussten wir später lösen, denn es wartete der nächste Raum auf uns.
Dieser Raum war mit pilzartigen Knollen überwachsen, die leicht pulsierten. Auf den Knollen waren Fingernägel aller möglicher Rassen verwachsen, die leise gegeneinander rieben oder aneinander klackten. Jetzt war ich recht froh, kein ausgiebiges Frühstück gehabt zu haben. Wer glaubt, die Hölle sei schlimm, sollte sich mal im Abyss umsehen.
Ich ballerte einen Schuss in einen solchen Pilz, aber außer, dass er schlaff wurde, passierte nicht viel. Behemoth mahlte sich mit hörbarem Schmatzen durch den widerlichen Morast.
Aus dem nächsten Raum war Kichern zu vernehmen. Ich beschloss, mir das erst einmal anzusehen, bevor wir mit der Kavallerie hinein donnerten.
Ich spähte vorsichtig durch den Durchgang des vierten Raums. Der Boden war hier bereits komplett überwachsen und es waren mehrere menschengroße Hügel unter dem Bewuchs auszumachen. Die Hügel bewegten sich leicht. Ich war mir sicher, dass ich gerade die vermissten Agenten gefunden hatte.
Rechts von mir war das Kichern zu hören. Ich blickte vorsichtig um die Ecke. Dort saß ein Dämon mit kleinen Flügelchen, etwa menschengroß, mit allen seinen vier Extremitäten an die Wand geklammert. Ich stützte mich kurz an der Wand ab und packte prompt in einen der Nagelpilze, die zum Dank meine Hand zerkratzten. Dadurch war ich leider nicht so leise wie gewünscht, denn nun bemerkte er meine Anwesenheit. In seiner Hand bildete sich eine Kugel, die er nach mir warf. Feuer umspielte mich und es tat höllisch - abyssisch? - weh. Ich machte, dass ich davon kam und rannte zum Wagen zurück.
Wir beschlossen, mit geschlossenem Visier hineinzufahren. Behemoth sollte über die Hügel rollen und erst anhalten, wenn nichts mehr zuckte.
Ein prima Plan. Wir schlossen die Fenster und rollten in Feuer gehüllt in den Raum. Es ruckelte ab und an, wenn Behemoth jemanden überfuhr. Dann hörte wir zirpen auf den Ladefläche und einer der Dämonen war gelandet. Er versuchte, sich durch den Feuervorhang zu schieben und wurde für diese böse Tat von Xera und mir mit Schwerthieben bestraft.
Weitere Wesen landeten auf der Plattform und machten sich über die Armbrust her. Der Feuerschild musste runter, ansonsten waren wir gleich waffenlos. Xera ließ die Schilde herunter und wir gingen die beiden hinten besuchen. Ich fiel überraschend über den Dämon her und schlitzte ihn fachgerecht auf. Xera hatte es mit einem pilzüberwucherten Agenten zu tun. Jetzt lernten wir, was sich in den Ausrüstungskisten befunden hatte. Er hatte einen Art Rucksack auf dem Rücken, mit dem er fliegen konnte und er war komplett in eine Art Schutzschild gehüllt.
Draußen sah ich aus den Augenwinkeln weitere Agenten aus ihren Kokons klettern und ein dritter Dämon machte sich bereit, uns mit einer Feuerkugel zu bewerfen. Behemoth führte weiter seinen Befehl aus und überfuhr einen Agenten nach dem anderen. Die waren durch ihren abyssalen Pflanzenbewuchs doch arg behindert und kamen nicht schnell genug vom Fleck.
Xera hackte sich durch den Schutzschild, der zwar Treffer absorbierte, aber mit der schieren Gewalt von gleißendem Licht und Blitz überfordert war. Er explodierte und riss den Agenten auseinander. Leider trafen auch uns die Splitter und anderes. Und der Feuerball des verbliebenen Dämons.
Ein weiterer Agent landete auf der Motorhaube. Der Dämon ging zu einer anderen Waffe über und bewarf Xera mit einer Säurekugel, die sich durch ihren Kettenpanzer fraß und eine hässliche Lache auf dem Boden erzeugte. Xera, die ja keine Stiefel trug, bekam Probleme mit dem Auftreten.
Ich klemmte mich hinter den Skorpion und entfernte die eklige Kühlerfigur. Der Dämon ließ sich auf mich fallen und es gab einen kurzen, aber intensiven Schlagabtausch, der erfreulicherweise zu meinen Gunsten ausging. Behemoth zermatschte dieweil den letzten Agenten. Der letzte der Dämonen flüchtete in den angrenzenden Raum.
Wir waren rechtschaffen angeschlagen, aber Rückzug kam wohl nicht in Frage, denn dann hätten wir wieder von vorne anfangen müssen. Also tranken wir unsere Vorräte an Heiltränken aus und Xera half mit ihren Heilenden Händen zusätzlich nach. Leise rülpsend machte ich mich danach auf den Weg zu einer Vorerkundung.
Im Durchgang waren entfernt unheilige Gesänge zu hören. Der letzte Fel, der geflohen war, klebte über der Tür und ließ sich auf mich fallen. Dabei spießte er sich fein säuberlich auf meinen Kurzschwertern auf. Allerdings war er nicht alleine, denn hörte ich ledrige Schwingen und weitere geflügelte Dämonen, diese eher in nachtschwarz gehalten, machten sich zum Angriff bereit.
In dem Raum wogten trauerweidenartige Gebilde, deren Zweige aus menschlichem Haar gebildet waren und die in einen nicht spürbaren Luftzug hin und her wehten.
Einer der Vögel wurde von einem Blitz getroffen und fiel zu Boden. Behemoth erledigte den zuckenden Rest und ich schwang mich wieder an Bord. Wir fuhren die Feuerwände hoch, was den Dämonen wohl egal war. Vier von ihnen landeten, ziemlich angesengt, in unserer engen Kabine. Erfreulicherweise waren sie nicht mehr besonders robust und wurden schnell eliminiert. Nach der Säuberung dieses Raums stieg ich erneut ab und schaute mir den nächsten Raum an.
Der sechste Raum war komplett von dem kranken Zeug überwuchert. Es bildet Büsche auf dem Boden und lianenartige Ranken, die von allem herunterhingen, was möglich war. Um den Raum zu reinigen, bräuchte es mehrere Feuerbälle, würde ich meinen. Dämonen waren hier keine zu sehen. Der Gesang war hier deutlich lauter zu hören und kam aus dem nächsten Raum. Ich ging vorsichtig durch den Raum und bemühte mich, nichts zu berühren. Dann erreichte ich den Durchgang. Was ich dort sah, verschlug mir den Atem. Wir waren am Ziel!
Die Bannsänger waren so vertieft in ihr Tun, dass sie mich nicht bemerkten. In den Ecken der Halle standen vier mächtige fleischige Säulen, die leise pulsierten. Auf einem Podest aus ebenfalls pulsierendem Fleisch standen gut 20 Gestalten in eitergelben Roben, deren atonaler Gesang rhythmisch auf und ab schwellte. Einige hatte ich schon mal gesehen. Das waren Agenten des Viridicus! Über dem Podest hatte sich ein violetter und gelber Riss gebildet und darin bewegtes sich etwas. Ich sah ein wunderschönes Frauengesicht mit langen schwarzen Haaren, einen nackten weiblichen Oberkörper und einen schlangenartigen schwarz geschuppten Unterleib. Sechs lange scharfzahnige Schwerter in ihren sechs Händen vervollständigten das Bild einer Marilith. Einer besonders großen.
Ich bete zu allen Bahamuts aller Universen und ein Strahl lapisblaues Licht raste auf den Spalt zu. Lapisblaue Flammen züngelten über die Ränder und verdampften sie. Ich sah noch, wie sich das hübsche Gesicht zu einem Wutschrei verzerrte und ich konnte nicht anders, ich gab ihr die universelle Geste des Mittelfingers.
Der Gesang brach ab und entsetzte Schreie waren zu hören. Die Kultisten drehten sich um und deuteten auf den Durchgang. Dann grollte Behemoth auf und, gefolgt von vier feuerspeienden Kampfwagen, gingen wir ans Aufräumen. Es gelang Xera und mir, drei lebend zu ergattern, damit sich auch Viridicus ein wenig amüsieren konnte. Das Schicksal von Verrätern war uns beiden nämlich sehr egal.
Wir brannten das Podest weg, aber wir fanden keinen Gegenstand, der magisch war und für das Ritual eventuell zu gebrauchen gewesen wäre.
Wir fanden aber noch ein Amulett, was eine Scheibe mit infernalischen Glyphen darauf war sowie einen Trank, der nach Weihrauch roch. Wir brauchten dringend jemand, der das identifizieren konnte.
Ich versuchte während der Rückfahrt mit einem der Drei zu reden und zog ihm den Knebel heraus.
"Warum habt ihr das gemacht?"
"Du bist noch nicht lange dabei, stimmt's?"
"Ja, das ist so."
"Ich mache den Job jetzt seit über 1000 Jahren, ohne Hoffnung auf Erlösung. Du bleibst in seinen Klauen für immer und ewig. Ich wollte nur noch sterben."
"Und das hat dir eine Dämonin versprochen?" Ich schüttelte mitleidig den Kopf. "Teufel halten Verträge ein, Dämonen niemals. Ich muss das wissen, denn ich bin ein Drow. So schlecht ist er doch gar nicht als Patron."
Der Gefangene lachte auf. "Er hatte mal eine Freundin …"
"Ja?"
"Ich sage jetzt nichts mehr. Frag ihn selber, vielleicht erzählt er seinen neuen Lieblingen ja was."
Gut, dann nicht. Er bekam seinen Knebel wieder und nach kurzer Zeit erreichten wir den milchigen Vorhang. Dort erwartete uns ein Hindernis der üblen Art. Vor dem Vorhang stand ein alter fettleibiger und hässlicher Bekannter, nämlich der Pförtner, der uns aus der Reihe winken musste.
Der erkannte uns auch und seine Miene verdunkelte sich. Xera musste ziemlich betteln, damit er endlich das Portal öffnete. Wir sagen ihm, dass wir Gefangene hätten und wir umgehend Viridicus darüber informieren müssen. Er zog er einen kleinen Imp unter seiner Achsel hervor, der leicht grün um die Nase herum wirkte. Der arme kleine Kerl tat mir spontan leid.
Nach einiger Zeit kam er wieder und meinte, dass wir zum Hauptgebäude kommen und die drei in der Seelenkammer abgeben sollen. Ich hatte eine Eingebung und fragte ihn, ob er uns den Weg zeigen könne? Begeistert bejahte er. Das war zwar jetzt nicht lange, aber jede Minute an der frischen Luft musste für ihn ein Geschenk sein.
Wir lieferten die Gefangenen ab und machten uns auf den Weg zu Viridicus. Der begrüßte uns herzlich, aber es war deutlich zu sehen, dass er sehr nervös war. Schweiß perlte auf seiner Stirn und er wirkte fahrig.
"Meine eigenen Angestellten, ich fasse es nicht. Habe ich sie nicht immer gut behandelt? Sie wussten doch, was sie da unterschrieben haben. Das hätten sie ja nicht tun müssen, wenn sie mit den Klauseln unzufrieden waren."
Xera und ich sahen uns an.
"Wieviele Angestellte habt ihr eigentlich, Eure Gönnerschaft?", fragte ich.
"Gute einhundert, warum?"
"Das war dann aber ein erklecklicher Anteil an Unzufriedenen", meinte Xera, "mehr als ein Fünftel."
"Einer der Gefangenen meinte, dass es schlimmer geworden ist, als Ihr eure Freundin verloren habt.", ergänzte ich dreist. "Können wir euch da vielleicht helfen?"
Sein Gesicht war sehenswert. Ein Volltreffer in die Magengrube, würde ich meinen. Ich hoffte, wir sterben jetzt nicht auf der Stelle.
"Das ist eine sehr persönliche Frage." Er überlegte. "Warum nicht. Wenn ihr die Geschichte kennt, dann seid ihr gegen Gerüchte gewappnet. Das war noch vor der Zeit der Museen. Ich hatte mich in einen gefallenen Engel verliebt. Sie war wunderschön … " Seine Worte verloren sich ein wenig, als er an die Vergangenheit dachte, "… und wir hatten ein gemütliches Domizil in einer wunderschönen Gegend der Hölle. Unser Haus stand auf einem Hügel, der Garten wurde von drei Sonnen beschienen und der Fluss der Verdammten floss in der Nähe vorbei und lud zu ausgedehnten Spaziergängen ein."
Wir warteten. Sein Gesicht wurde traurig.
"Ich musste sie verbannen. Sie war sehr sprunghaft und gierte nach Macht. Macht, die ich ihr so nicht geben konnte und wollte. Also öffnete ich ein Tor in den Abyss und schickte sie hindurch. Unstrittig zu sagen, dass sie mich aus tiefer Seele für diese Tat verfluchte. Ihr Name ist übrigens Saira."
"Wegen Lust auf Macht? Dann müsste jeder Drow im Abyss schmoren", meinte ich.
"Es gibt einen Unterschied zwischen Recht, Gerechtigkeit und persönlichen Machtansprüchen. Das ist eine moralphilosophische Grundsatzbetrachtung, mein lieber Ghaundar. Eure Göttin und damit Euer Volk haben da den Kompass verloren."
Ich wollte gerade etwas Zustimmendes erwidern, als es klopfte. Viridicus öffnete und ein Imp flatterte vor der Tür. Er deklamierte mit piepsiger Stimme, dass die Flammingos ein Objekt freigelegt hätten und dass sich Viridicus das bitte ansehen möge. Viridicus seufzte und machte sich auf den Weg. Xera und ich sahen uns an und, weil uns keiner was anderes gesagt hatte, beschlossen wir, unserer Neugier freien Lauf zu lassen und ihm zu folgen.
Es ging schnellen Schrittes zum Museum und dort in den Raum der Beschwörung. Teile des Fußbodens waren verschwunden und dort schimmerte eine blutrote kristalline Masse. Ab und an funkelten kurz kleine Lichtpunkte auf. In der Mitte war eine kleine Pyramide aus dem Material herausgewachsen und reflektierte das Tageslicht, welches durch die Fenster fiel.
"Was, bei allen Göttern, ist das?", entfuhr es mir.
"Das ist pure abyssale Essenz", murmelte Viridicus. "Ich frage mich …"
"Könnte das nicht auch der Geist des Gönners sein?", flüstert mir Heinrich zu.
"Der ist doch infernalisch", antwortete ich.
"Vielleicht ist das ja der Gönner weitergedacht, sozusagen die Essenz des Gönners, denn der Gönner ist ja die Ebene?" Er sah mich fragend an.
Das war eine sehr kluge Frage. Leider war sie an mich wegen mangelndem Wissen verschwendet und so nickte ich nur. "Mag sein, wir werden es ja gleich sehen."
Viridicus begann mit einer Beschwörung. Dann legte er die Hand auf den Boden. Mein Blick für Magisches enthüllte mir Beschwörungsaura. Staub und Aschepartikel wanderten auf die zentrale Pyramide zu und begannen, eine Säule zu formen. Mehr Asche wirbelte um die entstehende Säule herum. Dann öffneten sich zwei violette Augen im Staub und eine weiche Frauenstimme ertönte: "Oh Viridicus! Dich habe ich ja lange nicht mehr gesehen."
Das klang nicht freundlich. Die Intelligenteren in der Halle, also die Agenten, machten sich entweder kampfbereit oder schlichen sich nach draußen. Die Heldenhaften, also Xera und ich, blieben.
Die Säule bildete jetzt unzweifelhaft die Gestalt einer reifen, wohlproportionierten Frau.
"Ich dich auch nicht," seufzte Viridicus." Wie ist es dir ergangen?"
"Nun, die letzte Zeit war fordernd, weil du mich ja ohne meine Kräfte verbannt hattest. Ich hatte alle Hände voll zu tun, mir meinen Status und meine Kräfte zurückzuerobern."
Die Halle bebte und Risse zogen sich durch den Blutstein. Die restlichen Agenten zogen sich zurück. Neugier tötet die Katz oder wie war das? Wir blieben.
"Was hätte ich tun sollen? Du weißt hoffentlich noch, was mit meiner Schwester passiert ist?"
"Hast du Heimweh, Liebster? Meldest du dich deshalb?"
Die honigsüße Stimme war pures Gift. Wir waren mittlerweile sehr alleine mit Viridicus.
"Du hast meine Agenten bezirzt, sich gegen mich zu wenden."
"Ach was, das sind doch nur Bauernfiguren. Du warst immer so kleinlich. Engel, Teufel, Dämon. Ist das nicht in allen von uns, natürlich in unterschiedlich Anteilen? Was gibt es daran auszusetzen? Nun, ich habe mir ein neues Reich geschaffen, mit eigenen Untergebenen. Willst du mich mal besuchen? Dann können wir über alte Zeiten plaudern."
Sie lachte, ein sanftes, verheißungsvolles Lachen. Und dann passierte es. Viridicus seufzte sehnsuchtsvoll auf und streckte die Hand aus, um die Aschenfigur zu berühren. Ein blutroter Blitz zündete und beide waren verschwunden. Es rumpelte und im Boden bildeten sich Risse. Jetzt nahmen auch Xera und ich unsere Beine in die Hand und hasteten zum Ausgang. Das ganze Gebäude bebte, Vitrinen brachen und es dröhnte unheilvoll um uns herum. Wir schafften es gerade noch durch den Vorhang, als die Taschendimension hinter uns kollabierte. Draußen zwitschern die Vögel, die Sonne schien und eine Menge betretener Agenten und Teufel standen herum und schauten verdutzt.
Dann setzte eine Wanderbewegung ein und alles strebte zu Turkey. Ich wandte mich an einen Teufel. "Sag mal, müssten wir nicht Papa Bescheid geben?"
"Warum?"
"Wie warum. Sein Sohn ist gerade von einer Dämonin in den Abyss entführt worden. Das sollte man doch Levistus melden."
Er sah mich an, als hätte ich ihm vorgeschlagen, Selbstmord zu begehen.
"Also, das könnte nur ein ranghöherer Teufel, als ich das bin. Ich habe erst den 47. Rang. Du musst mindestens Rang 10 haben, um das tun zu können."
"Gibt es hier einen Stellvertreter?"
"Klar, der Oberste Leser der Verträge. Den findest du im Haupthaus. Er hat das Zimmer direkt unter Viridicus."
Wo auch sonst. Das ist raumgewordene Hierarchie. Da weiß du, wo dein Platz ist. Unter dem Hintern vom Chef.
Wir klopften und der Pförtnerteufel rief uns herein. Auch das noch. Wir erzählten ihm vom Verschwinden seines Chefs und das wir das als Problem ansähen. Das sah er nicht so.
"Was soll sein. Viridicus macht einen Ausflug. Der kommt schon wieder."
"Aber …"
"Falls euch langweilig wird, dann suche ich euch einen netten kleinen Auftrag raus. Ich hätte auch gerne ein paar Sachen. Und nun verschwindet, ich habe zu tun."
Also gingen wir auch zu Turkey. Was sollten wir auch sonst tun.
Die Bude war rappelvoll, aber wir fanden noch einen kleinen Tisch. Nach einiger Zeit tauchte Turkey auf und der war sichtlich deprimiert. Tropfen von Bratensoße rannen über seinen Truthahnkopf und er fragte mit weinerliche Stimme nach unseren Wünschen.
"Einen Kuchen, wenn noch da. Wir müssen überlegen, wie wir Viridicus wiederholen können."
"Das wollt ihr tun?" Er wirkt erstaunt und erfreut. "Das ist ja toll. Ohne ihn wird diese Dimension nämlich zu Grunde gehen. Das weiß hier keiner oder ignoriert das."
"Wie bitte?"
"Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber ohne ihren Herren halten diese Dimensionen nicht sehr lange, habe ich gehört."
"Das müsste doch auch der Pförtnerdämon wissen."
"DER?"
Turkey seufzte.
"Der ist jetzt Boss und genießt das. Wenn er merkt, dass der Zusammenbruch einsetzt, dann ist es zu spät. Geht zum Schmied, direkt neben der Wagenhalle. Der ist am längsten hier und kam direkt, nachdem Viridicus hier alles eingerichtet hat."
Wir bedankten uns artig und Turkey holte den Kuchenwagen. Der Zusammenbruch hatte offenbar bereits eingesetzt, als wir seine Törtchen betrachteten. Die waren krumm und schief und in einem steckte ein Hühnerschlegel zwischen den Blaubeeren. Der arme Turkey war völlig von der Rolle. Wir nahmen uns zwei unverfänglich aussehende Exemplare - Xera fischte eine eingebackenen Gabel aus ihrem - und gingen dann den Schmied besuchen.
In der Wagenhalle gab es eine kleine Pforte und dahinter waren die unmissverständlichen Geräusche von Eisenhandwerk zu vernehmen. Wir öffneten die Tür und standen in der Hölle. Riesige Feuer loderten, mächtige Schmiedehämmer schlugen auf rotglühendes Eisen ein und es war heiß. Sehr heiß. Mir brach der Schweiß aus und ich war noch nicht mal eingetreten. Der Schmied war gute fünf Meter groß und wohl ein Feuerriese.
Durch den kühlen Luftzug in seinem Rücken vorgewarnt drehte sich der Riese um und eine freundliche Stimme rumpelte: "Was wollte ihr? Waffen? Rüstungen? Das dauert aber, bin gerade sehr beschäftigt."
"Turkey sagt, dass du uns helfen kannst. Viridicus wurde von jemand namens Saira entführt."
"WAS?"
Der Riese ließ den Hammer sinken und zeigte auf eine kleine Sitzgruppe.
"Das ist ja schrecklich. Wie kann ich euch helfen?"
"Turkey sagte, du weißt am meisten hier. Wir würden ihn gerne zurückholen, aber wir haben keine Ahnung, in welcher der 999 Ebene sie sitzt. Vielleicht kannst du uns da helfen."
"Kann ich," nickte der Riese, "ich heiße übrigens Thorfinn."
Wir stellten uns auch vor. Dann begann Thorfinn zu erzählen.
"Er ging am Anfang jeden Abend in den Glockenturm. Die Glocke läutete dann siebzehn mal. Irgendwann hörte das dann auf und er wandte sich dem Aufbau seiner Museen zu."
"Wo finden wir denn den Turm?"
"Es gibt wohl einen Zugang von der Haupttreppe aus. Genau weiß ich das nicht, denn das ist alles zu klein gebaut für mich."
Wir bedankten uns herzlich, aber dann hatte Xera noch ein Anliegen.
"Wegen der Rüstungen, ich könnte schon was Besseres gebrauchen", meinte sie. "Nach jedem Kampf muss der arme Ghaundar die Löcher flicken."
Der Riese sah mich an. "Du bist Schmied?"
"Nein, Zauberer."
"Klar, hätte ich mir denken können bei den dünnen Ärmchen."
Dann wandte er sich wieder an Xera.
"Ich könnte dir eine lorica segmentata machen."
"Hä?"
"Das ist eine Bänderrüstung aus richtigen Eisenringen, nicht aus den ummantelten Löchern eines Kettenpanzers. Am besten wäre die natürlich zusätzlich noch mit Adamant verstärkt, aber davon habe ich zurzeit nichts hier."
"Ha, aber ich habe da was", sagte ich und zog die beiden Barren aus meinem Nimmervollen Beutel. "Reicht das?"
"Hui, ja, das reicht. Erstaunlich, was sich in diesen tiefen Taschen so findet?"
Er lachte dröhnend.
"Dauert ein paar Tage, aber ich mache mich direkt daran. Viridicus hat Priorität und seine Retter erst recht."
Er zog ein Maßband aus seiner Tasche. In seinen riesigen Pranken wirkte es winzig. Dann nahm er Xeras Maße. Wir verabschiedeten uns von ihm und gingen den Aufstieg zum Glockenturm suchen.
Der war tatsächlich sehr unauffällig in die Wand eingepasst worden. Endlose Treppen wanden sich nach oben und dann standen wir endlich in der Glockenstube. Die war nach drei Seiten hin offen. Auf der vierten Wand war ein Mosaik eingelassen worden. Vielfarbige Ringe waren mit- und ineinander verschlungen und das Ganze machte einen sehr chaotischen Eindruck. Magisch war es natürlich auch. Es sah ein wenig wie ein Astrolabium aus. Was mir sofort ins Auge fiel war ein smaragdgrüner Fleck, der sich in der Mitte des Mosaiks befand. Wie aktivierte man das Ding?
Die Glocke war alt und lange nicht benutzt worden. Staub und Spinnweben bedeckten sie und den Klöppel.
Ist euch eigentlich schon einmal aufgefallen, dass, egal wo du in den Welten auftauchst, die Spinnen schon da sind? Komisch, oder?
Wir begannen, nach einem Mechanismus zu suchen. Wir fanden ihn durch Zufall. Xera murmelte etwas in der Art wie 'der hat nach Saira gesucht' vor sich hin. Bei der Erwähnung des Namens begann die Glocke zu zittern. Also sprach sie ihn laut aus.
Wir wurden fast taub, als das Ding zu bimmeln anfing. 17 mächtige Glockenschläge ertönten. Kleine Figuren strömten aus Turkeys Diner und bewunderten das Schauspiel. Wir bewunderten das Mosaik, welches anfing, sich zu bewegen. Die Ringe verschoben sich und griffen auf neue Art ineinander und am Ende sah das Bild völlig anders aus. Xera erinnerte sich endlich, dass im Bordgerät des Behemoth eine ähnliche Darstellung zu sehen gewesen war. Ed hatte ihr erklärt, dass das die Sprungkoordinaten wären.
Also malte ich das Bild so gut es eben ging ab und schrieb die Farben an die Linien. Hoffentlich konnte Ed etwas damit anfangen.
Wir gingen ihn suchen und fanden ihn in seiner geliebten Wagenhalle. Er besah sich das Bild und meinte, dass er das wohl einprogrammieren könnte. Er könne aber nicht sagen, wo wir in dieser Ebene herauskämen, dafür wäre es zu unpräzise. Und wenn wir zurückwollten, bräuchten wir noch Rückkehrkerzen.
Die gab es im Ausrüstungslager und wir nahmen zwei mit. Ebenfalls mehrere Heiltränke. Dann war ein spätes Abendessen angesagt und eine lange Bettruhe. Nach diesem Tag waren wir völlig erledigt.
Wir müssen das tun! Ohne Patron wird das hier im Chaos enden. Oder der dicke eklige Pförtner wird zum Patron, aber dann gibt es hier Mord- und Totschlag. Ich würde die Rebellion persönlich anführen, das schwor ich mir.
Turkey hatte was Besonderes für uns. Zum Frühstück gab es ein Heldenmahl. Zuerst wollte ich nicht so recht, als ich die Massen an Speisen sah, aber Turkey erklärte uns, dass wir nach diesem Frühstück für 24 Stunden immun gegen Gifte, Furcht, Besessenheit und andere Kleinigkeiten wären. Das hörte sich gut an und so hauten wir rein. Dann ging es etwas schwerfällig zur Wagenhalle, wo Behemoth bereits in freudiger Erwartung zitterte.
Er rauschte nach draußen in den Park, beschleunigte und dann rasten wir durch die Schwärze.
Wir rumpelten auf eine kahle Ebene hinaus. Am Horizont hing eine orangefarbene Abendsonne. Es war warm und kleine Wölkchen zogen über einen fliederfarbenen Himmel. Vor uns erstreckte sich eine dichte und hohe Hecke, die sich endlos in beide Richtungen erstreckte. Etwas rechts von uns war eine Lücke zu erkennen.
Auf die hielten wir zu. Die Lücke entpuppte sich als großes, schmiedeeisernes, zweiflügeliges Tor, welches in die Hecke eingelassen war. In der Mitte war ein Schloss zu erkennen. Dahinter erstreckte sich eine lichte Waldlandschaft mit gelegentlich eingestreuten Rasen- und Blumenflächen. In der Ferne war eine Art Herrenhaus auf einem Hügel zu erkennen.
Ich kletterte vom Wagen und besah mir das Schloss genauer. Es war herzförmig und würde einen Schlüssel in dieser Form benötigen. Allerdings konnte ich keinerlei Häkchen oder Rädchen erkennen, die man bewegen konnte. Ein konzentrierter Blick bestätigte meine Vermutung: Das Tor war magisch und ohne den passenden Schlüssel hatte ich keine Chance. Die Hecke war auch keine Alternative, denn sie war gute zehn Meter hoch, etwa fünf Meter dick und bestand aus einem dornigen Zeug, welches gierig kleine Ästchen nach mir ausstreckte.
Da half wohl nur rohe magische Gewalt und so hob ich die Magie des Tores auf. Quietschend öffneten sich die Flügel und Behemoth rollte langsam hindurch. Ich folgte dem Wagen hastig, denn die Flügel begannen sofort, sich wieder zu schließen.
Hinter dem Tor roch es anders, würzig nach Pflanzen und man hörte das Keckern und Pfeifen unbekannter Tiere.
Wir rollten mit Behemoth über den überwachsenen, aber gut erkennbaren Weg, der auf das Herrenhaus zuhielt. Heimlichkeit war hier überflüssig, möchte ich meinen, denn unser Wagen war so wenig heimlich wie ein Stier unter Schafen. Allerdings rollten wir nicht lange, denn nach einer guten halben Stunde stießen wir auf ein Hindernis. Eine Schlucht teilte den Park in zwei Teile. Sie ging, wie die Hecke, auf beiden Seiten ins Unendliche und sie war gute 30 Meter breit. Baumstämme und Lianen würden zwar Xera und mir ein Überklettern ermöglichen, aber für Behemoth war das nichts. Also schärften wir ihm ein, brav zu warten und balancierten über die Schlucht.
Auf der anderen Seite wand sich der Weg weiter durch die wuchernde Vegetation. Dann lernten wir die Tierwelt kennen. Gut getarnt in den Büschen sah ich ein katzenartiges Gesicht. Und ein zweites in den Bäumen über uns. Ich konnte gerade noch Xera warnen, als der Angriff blitzschnell erfolgte. Es waren große Katzen mit vielen Klauen und Zähnen, aber das war nicht alles. Aus ihren Schultern wuchsen zusätzlich zwei Schlangen, die uns ebenfalls angriffen. Jetzt war ich froh über das Heldenmahl, denn was da von den Fängen tropfte, war kein Honig.
Wir wehrten uns verbissen und die Anzahl der Katzen schwoll auf vier an. Das war ein langer, harter und sehr schmerzhafter Kampf und am Ende waren wir rechtschaffen ausgelaugt. Wir schluckten jeder unsere drei Heiltränke und Xera legte noch ihre Heilende Hand auf. Damit ging es dann einigermaßen und wir marschierten weiter.
Wieder versperrte ein Hindernis unseren Lebensweg, diesmal in Gestalt eines Flusses mit starker Strömung, der lustig vor sich hin rauschte. Überflüssig zu sagen, dass auch der gute 30 Meter breit war, keine Brücke zu sehen war und sich endlos in beide Richtungen erstreckte. Zu allem Überfluss konnten wir gut zwei Meter durchmessende scheibenförmige Fische sehen, die uns aus zahnbewehrten Mäuler angähnten.
Xera zog ihre Maske an. Dann stieg sie ins Wasser und wollte über den Flussgrund marschieren. Die Mondfische waren begeistert und wollten sich über sie her machen. Ich schoss einen an. Der Effekt war spektakulär, denn seine Artgenossen fanden das blutende Ding zum Anbeißen schön und fielen über ihren Artgenossen her. In wenigen Sekunden war er bis auf die Knochen abgenagt. Da hatten wir doch jetzt eine Taktik zur Flussüberquerung gefunden! Ich feuerte weiter und Xera beeilte sich, durch die starke Strömung ans andere Ufer zu kommen. Das klappte leidlich gut, nur einmal verfehlte ich mein Ziel und Xera wurde gebissen. Aber dann war sie auch schon am anderen Ufer und kletterte nach draußen.
Nun war ich dran. Ich suchte mir eine möglichst schmale Stelle, befestigte mein Seidenseil an einem Bolzen und feuerte ihn über den Fluss. Xera erwischte den Bolzen in letzter Sekunde und zog das Seil straff. Nun noch ein wenig Levitation und ich wurde über den Fluss gezogen.
Der Weg führte zu einem Hügel hinauf. Dort stand ein Pavillon, der eine herrliche Aussicht auf den ganzen Park gewährte. Seidenkissen lagen unordentlich auf Bänken und auf dem Boden herum. Ein kleines Tischchen war umgestoßen worden und Gläser und Flaschen lagen auf dem Boden und der ehemalige Inhalt verschmutzte die Seide.
Wir beschlossen, eine Rast einzulegen. Ich fiel in Trance, um meinen Spruchspeicher wieder aufzuladen. Dann machten wir uns auf den Weg zum Herrenhaus.
Wir diskutierten kurz, ob wir das verstohlen machen sollten, aber andererseits wollten wir ja niemanden überfallen. Also spazierten wir offen und unverfroren durch den Eingang und standen in einem großen Innenhof. Auf der linken Seite war der Eingang und vor dem stand die schwarze Marilith, der ich den Spalt vor der Nase zugemacht hatte. Aus einem halbgeöffneten Fenster waren unverhohlen frivole Geräusche zu hören. Da amüsierten sich zwei Personen prächtig. Eine davon war der Gönner, also lebte er noch. Das war schon die gute Nachricht. Durch den geschlossenen zweiten Flügel krachte eine kleine Fußbank.
Die Marilith stand aufgerichtet mit ihren guten zweieinhalb Metern Höhe da und fixierte uns und vor allem mich.
"Was wollt ihr."
"Gute Dame, wir sind Agenten des Viridicus und müssen dringend mit ihm sprechen."
"Die Herrin ist beschäftigt. Wenn sie nicht mehr beschäftigt ist und euch zu sehen wünscht, werde ich euch einlassen."
"Aber …"
"Ihr seid Diener, also kein aber."
Ich verkniff mir zu erwähnen, dass sie das wahrscheinlich auch wäre. Wer steht denn sonst im Hof herum, verscheucht ungebetene Gäste und nennt seinen Boss 'Herrin'?
"Wie ihr wünscht edle Dame. Können wir drin warten?"
"Nein, aber ihr könnt euch hier irgendwo hinsetzen."
Ich merkte, wie es rechts von mir wärmer wurde. Xera begann sich aufzuregen.
"Wenn es sein muss. Wir wollen uns ja nicht mit Gewalt Zutritt verschaffen, schließlich sind wir friedlich hier."
Die Marilith lachte.
"Gewalt? Du kämst nicht an mir vorbei, kleiner Mann. Da bist du nicht kräftig genug für."
Sie grinste und ließ ihre durchaus beeindruckenden Muskeln spielen. Bis auf den Schlangenleib war die Frau wirklich sehr schön. Tödlich schön.
"Das mit dem kräftig stimmt. Meine Kunst ist die Geschwindigkeit, nicht die rohe Kraft."
"So so, also Schnelligkeit. Ihr Kleinen seid nicht schnell."
"Lass es mich versuchen. Ich stehle dir eines deiner Schwerter und du kannst mich nicht daran hindern."
Jetzt trug ich richtig dick auf, aber die Frau nervte mich langsam mit ihrem Hochmut.
Sie sah mich an. "Einverstanden. Auf drei."
Natürlich wollte sie betrügen. Ihre Schwanzspitze ringelte sich bereits in Richtung meines Beins. Da würde ich wirklich flott sein müssen.
Bei zwei griff sie zu. Das hatte ich erwartet, aber die Frau war wirklich schnell. Es gelang mir mit Mühe, meinen Fuß aus der Umklammerung zu bekommen, hechtete mit einer eleganten Flugrolle unter ihren ausgebreiteten Armen hindurch und noch vor der Landung griff ich nach einem der gezahnten Schwerter. Dabei erwischte ich wohl einen Hebel, der die Zähne in Bewegung setzte. Lautes Grollen ertönte und die Kette mit den Zähnen setzte sich in Bewegung. Es roch penetrant nach verbranntem Steinöl. Es gelang mir, einigermaßen elegant wieder auf die Füße zu kommen, ohne mir etwas abzuschneiden, ließ den Hebel los und überreichte ihr das 'Schwert' mit einer Verbeugung.
Sie nickte mir lächelnd zu. "Beeindruckend. Unsere Kinder werden auch keine Probleme mit der Hautfarbe bekommen. Ich heiße übrigens Lilith."
WAS? Warum nicht. Allerdings sah ich ein kleines Problem voraus: Extraplanare weibliche Biologie hatte nie auf meinem Stundenplan gestanden. Das war Neuland.
Sie schleppte mich in ihr Zimmer. Xera musste draußen bleiben. Das Zimmer war direkt rechts hinter dem Eingang und bestand aus einer Menge an Sofas, Kissen und Decken, die kreisförmig angeordnete waren, wie ein Nest.
Xera: Das gibt's doch nicht. Ghaundar geht mit der Dämonin poppen und ich darf hier im Hof herumsitzen und mich langweilen? Da mache ich doch ein paar Spaziergänge. Der Garten um das Haus herum ist in mehrere Abteilungen mit unterschiedlichem Bewuchs gegliedert. So weit, so unspektakulär. Weitere Eingänge finde ich aber nicht.
Dann schnalle ich mir die Kletterschuhe an und gehe mal im ersten Stock nachsehen. Der Lärm hat sich in einen anderen Flügel verlagert. Ich klettere nach oben und schaue durch das Fenster. Es ist niemand zu sehen. Eine umgeworfene Couch, auf dem Boden verteilte Kissen und Kleidungsstücke und einige Flaschen und leere Gläser sind zu sehen. Ansonsten ist in dem Raum nichts Bemerkenswertes. Mich im Haus umzusehen, traue ich mich aber nicht, denn im Nebenzimmer sind schon wieder eindeutige Geräusche zu hören. So klettere ich wieder herunter und habe mich gerade gut hingesetzt, als die Marilith wieder auftaucht, recht zufrieden, so wie es aussieht. Ghaundar scheint ganze Arbeit geleistet zu haben. Sie bittet mich ebenfalls herein und wir dürfen im Inneren übernachten. Natürlich unter ihren wachsamen Augen.
Das war eine interessante Erfahrung gewesen. Mir tat alles weh und ich glaube, ohne den Schuppenpanzer von Bahamut hätte ich hier wirklich ernsthafte Verletzungen davon getragen. So hatte ich viele blaue Flecken und war rechtschaffen erledigt.
Da sonst nichts weiter passierte, dösten wir unter der Aufsicht von Lilith auf zwei Sesseln vor uns hin. Xera fand das alles nicht richtig und rief inbrünstig nach ihrem Gott, Der war tatsächlich einem kleinen Gespräch nicht abgeneigt.
"Nun, mein Findelkind, was ist denn jetzt schon wieder." Genüsslich räkelte sich der riesige Drache auf seinem gigantischen Hort.
"Ich verliere hier noch den Verstand. Mein Gefährte, den du als dein Mündel angenommen hast, treibt es mit Dämoninnen, mein Auftraggeber ebenso und ich verstehe einfach nicht, was hier meine Aufgabe ist."
"Wirklich nicht?"
"Nein, Meister, wirklich nicht. Wir sollen Böses aus der Welt schaffen, das habe ich verstanden. Jetzt sorgen wir dafür, dass Teufel und Dämonen zusammenkommen."
"Das ist doch gut. Diese Dämonin weiß über deine Vergangenheit Bescheid. Sie ist wichtig. Bleibe auf dem Pfad, mein Findelkind, und lass Dinge geschehen. Ihr beide beeinflusst andere, die wiederum andere beeinflussen. Der Stein teilt das Wasser. Die Kunst besteht darin, damit den Fluss zu lenken."
Wir wurden aus unruhigem Schlummer geweckt. Lilith erklärte uns, dass die Herrin Saira jetzt Zeit für uns hätte und führte uns in einen großen Saal. Der war üppig mit Diwans, kleinen Tischchen und ähnlichem Haremszubehör eingerichtet.
Die Dame das Hauses räkelte sich auf einem Diwan und war eine Attraktion. Sie war sehr weiblich, mit purpurfarbener Haut und ebensolchen Augen, die wir ja schon einmal in der Museumshalle in der Staubsäule gesehen hatten. Der offenherzige Bademantel verbarg nicht viel. Sie winkte uns gnädig zu zwei Sitzplätzen zu ihren Füßen. Dort standen Karaffen mit Getränken, darunter dem Geruch nach auch Kava. Dieses Getränk hatte ich zu schätzen gelernt, um dem Morgengrauen etwas entgegensetzen zu können. Ansonsten gab es Kuchen, klebrige Honigpasteten und andere Süßigkeiten.
Lilith baute sich im Hintergrund auf, für den Fall, dass wir Unsinn vorhatten. Saira begrüßte uns freundlich und fragte nach unserem Begehr. Ich verbeugte mich mit einem formvollendeten Kratzfuß.
"Edle Dame," hub ich an, "wir sind gekommen, um mit unserem Patron zu reden. Er vernachlässigt seine Pflichten in seiner eigenen Ebene, die dadurch Schaden nehmen wird."
"Und wer seid ihr, wenn ich fragen darf?"
"Oh Verzeihung edle Saira, wir sind die Agenten Ghaundar Vandree und Xera S'smaran. Herr Viridicus ist unser Patron."
"Ihr tut das für euren Patron? Müsstet ihr nicht froh sein, dass ihr gerade freie Zeit habt?"
"Natürlich sind wir über freie Zeit froh, aber Herr Viridicus ist ein guter Patron und wir befürchten, dass seine Abwesenheit zu Problemen bei seiner Stellung wie auch bei seiner Taschendimension führen wird."
"Das mit dem 'gut' habe ich aber anders gehört."
"Ach, ihr wisst ja, unzufriedene Elemente gibt es überall. Ich bin mir auch sehr sicher, dass die liebreizende Lilith euch als gute Patronin bezeichnen würde."
Sie lächelte. "Das würde sie bestimmt, ja. Und liebreizend hört sie selten."
Dann wurde sie wieder ernst. "Aber ich habe ihn doch gerade erst wieder gefunden und ihr wollt ihn meinen liebevollen Armen entreißen? Das ist doch nicht nett von euch."
Das hier war ein Spiel. Ein Spiel um hohen Einsatz. Die Frau war die beste Schauspielerin der Welten. Ich legte mein ganzes Charisma in den nächsten Satz.
"Aber wir wollen ihn euch doch nicht entreißen! Ganz im Gegenteil, uns ist nichts wichtiger als euer gemeinsames Glück! Seine Sammlungen sind berühmt und seine Agenten vortrefflich, um Gegenstände in den Welten zu besorgen. Auch ihr könntet jetzt auf diesen gut ausgebauten Apparat an motivierten Agenten zurückgreifen. Was gibt es, was ihr begehrt? Also an materiellen Gütern natürlich. Ich bin mir sicher, das Viridicus alle Hebel in Bewegung setzen wird, um es euch zu besorgen."
Sie sah mich mit einer hochgezogenen und sehr wohlgeformten Augenbraue an.
"Das ist eine Idee, über die ich durchaus nachdenken könnte. Hmm …"
"Ich habe ein Geschenk für Euch. Wisst ihr, was das ist?"
Ich hielt ihr eine Flasche des 'Sternenlichts' entgegen. Lilith wurde unruhig. Ich lächelte ihr zu.
"Bitte, überprüft das." Was sie dann auch tat und es für unbedenklich erklärte.
Dann tauchte unser Patron auf. Er wirkte rechtschaffen unausgeschlafen und war überrascht, uns hier zu sehen. Viridicus trug einen fliederfarbenen Bademantel, der einige Nummern zu klein war. Er sah aus wie eine aufgeplatzte Aubergine, aus der rötlich haariges Fruchtfleisch quoll. Mir war für einen Moment sehr unklar, was diese gottgleiche Schönheit an ihm finden konnte und dann fiel mir seine Verwandtschaft ein. Macht war durchaus ein Anreiz.
Saira wandte sich mit einem schmachtenden Augenaufschlag an ihn.
"Sieh nur Geliebter, deine treuen Agenten suchen nach dir. So sehr vermissen sie dich."
"Tun sie das?", brummte der Teufel. "Gerade jetzt? Wie haben sie überhaupt hierher gefunden!"
"Ja, eure Gönnerschaft, das war nicht einfach, aber wir sind einfach gut. Es tut mir wirklich sehr leid, aber wir müssen euch an eure Pflichten erinnern. Eine Taschendimension ohne ihren Herrn vergeht."
Ich war sehr ernst dabei.
"Warum sammelst du eigentlich all dieses komische Zeug?", fragte Saira.
Viridicus wirkte etwas betreten.
"Nun … also ... die Stücke in den Museen erinnern mich an dich."
Er schaute etwas beschämt zu Boden."
"Och wie süüüüß." Saira sprang auf und fiel ihm um den Hals. "Das würde ich mir gerne ansehen."
Ich nutzte die Gelegenheit, schlang ein Stück Kuchen hinunter und gurgelte eine Karaffe Kava hinterher. Dann kam mir eine Idee.
"Sagt, eure Gönnerschaft. Wenn sich alles zum Guten wendet, braucht ihr doch eigentlich eure Agenten nicht mehr, um Erinnerungsstücke zu beschaffen. Das allerschönste habt ihr ja jetzt und das Original ist unübertrefflich."
Viridicus stutzte für einen Moment und meinte dann: "Das mag stimmen, aber jetzt noch nicht. Natürlich brauche ich die Agenten noch und meine Besten brauche ich auf jeden Fall."
Schade, das war ein guter Gedanke gewesen.
"Aber wenn wir gehen, was passiert dann mit meiner Taschendimension?", wollte Saira wissen.
"Wahrscheinlich das Gleiche wie mit meiner," sagte Viridicus, "aber man könnte ein permanentes Portal erschaffen. Dann wären sie verbunden und wir könnten jederzeit ein und ausgehen und die Fehlzeiten gleichen sich auch aus."
Ich atmete langsam aus. Der kritische Moment war vorüber. Viridicus würde genau das tun und wir hatten ab dann zwei Patrone.
Also machte man sich fertig zur Abreise. Wir spazierten durch den Park zum Wagen. Vor Saira erschien eine steinerne Bogenbrücke, die den Fluss überspannte. Die Mondpiranhas schauten enttäuscht.
Die Wege waren weniger überwachsen, die Tierwelt ließ uns in Ruhe und es wirkte fast idyllisch. Der Radius ihres beruhigenden Einflusses war wohl so zehn Meter, wie ich bemerkte.
Auch die Schlucht wurde von ihrer Brücke überspannt. Man musste sich allerdings etwas beeilen, den hinter ihr löste sich die Brücke sehr schnell wieder auf.
Dann erreichten wir den Wagen, der sehr erfreut war, Viridicus zu sehen. Natürlich fuhr Viridicus. Natürlich kuschelte sich Saira auf den Beifahrersitz. Uns Subalternen blieb nichts anderes übrig, als uns auf der Ladefläche zu arrangieren, was mit den Ausmaßen von Lilith zu einer engen Angelegenheit wurde.
Nach kurzer Fahrt erreichten wir das Heim unseres Patrons. Das sah schon etwas schäbig aus. Die Scheiben der Museen, die einst so strahlend in der Sonne gefunkelt hatten, waren von Patina überzogen, das Gras wirkte schlaff und die Bäume ließen die Blätter hängen.
Am Haupthaus stiegen wir aus. Da der stolze Viridicus seine Saira zu einem Rundgang einlud, wollten wir zu Turkey. Heisere Entsetzensschreie gellten durch den Park, als wir uns zu dritt auf den Weg zum Restaurant machten. Lilith genoss das sichtlich.
Der arme Turkey bekam fast einen Herzinfarkt, als sich die Dämonin durch den Eingang quetschte. Wir beruhigten ihn, erzählten ihm, dass Viridicus wieder da sei und setzten uns zu einem leckeren Mittagessen nieder. Turkey überbot sich ob der glücklichen Nachricht in seinen Kochkünsten. Die restlichen Gäste ließen ziemlich viel Platz um uns herum. Das konnte ich ja überhaupt nicht nachvollziehen.
Turkey hatte auch ein Zimmer für die Dämonin. Dabei erfuhr ich, dass sein Gasthaus über eine recht flexible Zimmergestaltung verfügte und er die Zimmer nach der Größe der Bewohner anpassen konnte. Ich bestellte einen Whirlpool in Übergröße dazu und wurde prompt angemeckert, dass heißes Wasser für sie eine lauwarme Angelegenheit wäre und sie bereits die Schwefelsümpfe von Atzclan vermisse. Na gut, man kann nicht alles haben.
Xera fiel ihre Rüstung ein und so machten wir uns vor dem Abendessen auf den Weg zu Thorfinn. Lilith kam mit, um sich mal die Technik des 'Feindes' anzusehen. Ich glaube, hier ist noch ein wenig Erziehungsarbeit nötig.
Am Himmel des Taschendimension hatte sich etwas geändert: Es dämmerte. Der ewige Sonnenschein war Geschichte. Dafür spannten sich über den Himmel Szenen einer Beziehung, Viridicus und Saira Händchenhaltend am Strand, Viridicus und Saira auf dem Gipfel eine Berges, die Aussicht genießend und so weiter. Mir wurde ob so viel Süßholzraspeln leicht schlecht.
Thorfinn war fertig und präsentierte sein Schmuckstück. Lilith war etwas schlecht gelaunt, weil ihre Häutung bevor stand. Ich hatte eine famose Idee. Wie wäre es mit einer Jacke aus der abgelegten Haut der Geliebten? Sie schaute ein wenig seltsam drein, aber ihre Laune verbesserte sich. Was tut man nicht alles für die zwischenvölkischen Beziehungen!
Mittlerweile war es dunkel. Wir waren gut auf dem Rückweg, um den Pool zu testen, als der unvermeidliche Imp-Bote auftauchte und uns zum Glockenturm bat.
Dort saßen Saira und Viridicus Händchenhalten auf der Brüstung und beobachteten den Nachthimmel. Flüstern und kichern war zu hören. Xera räusperte sich.
"Ach, da seid ihr ja, meine Kinder", säuselte Viridicus. "Saira bat mich, nach euch zu schicken. Sie hatte etwas im Geist von dir", er fixierte Xera, "gesehen, etwas Vergessenes, Verschüttetes. Es scheint damit zu tun zu haben, warum du in der Hölle gelandet bist. Magst du es wissen?"
Xera war völlig überrascht und nickte.
"Gut, Gut. Meine liebe Saira wird dafür in deinen Geist sehen und die Erinnerungen hier im Raum projizieren. Dann ist es für die anderen auch nicht so langweilig."
Xera wirkte auf einmal unentschlossen, aber ich nahm sie in den Arm. "Schau, dann weißt du Bescheid. Bahamut hat es nicht gestört, wie du weißt."
Sie seufzte. "Dann mal los."
Saira gab ihr einen Schluck Ithildim zu trinken, nahm dann ihren Kopf in ihre Hände, lächelte noch einmal aufmunternd und ihre Augen verdrehten sich. In der Mitte des Raums entstand eine Projektion.
Ein kleines blauschuppiges Mädchen steht vor mehreren großen blauen Drachenstämmigen. Dem Alter nach würde ich sie auf 13 schätzen. Die blauen Alten reden auf sie ein und scheinen nicht erfreut zu sein. Das Mädchen hält eine kleine Puppe fest umklammert.
Die kannte ich, denn als ich aus alter Gewohnheit mal Xeras Rucksack am Anfang unserer Beziehung inspiziert hatte, war sie mir in die Hände gefallen. Die Puppe sollte wohl Bahamut darstellen und sie war sehr geliebt worden.
Das Mädchen ist im Wald unterwegs. Sie hat einen kleinen Rucksack dabei und ist offensichtlich auf der Suche.
Und mit Sicherheit von zu Hause abgehauen.
Das Mädchen steht nach längerer Wanderschaft vor einem uralten Gemäuer. Drachenköpfe schmücken den Eingang und dahinter sind gedrungene Gebäude zu sehen. Im Hintergrund sieht man eine abfallende Klippe, an deren Rand das Kloster gebaut wurde. Ein alter freundlicher silberner Drachenabkömmling unterhält sich mit ihr und geleitet sie ins Innere.
Das Mädchen ist in einem Schlafsaal. Außer ihr ist noch ein chromatischer Drache da, ein roter. Der Rest sind junge Metalldrachen, die sie misstrauisch beäugen. Sie sitzen in Lehrsälen, blättern in alten Werken in der Bibliothek und halten Messen zu Ehren Bahamuts ab.
Lilith gähnte sich neben mir einen ab.
Das Mädchen wird wach. Etwas stimmt nicht. Sie ist alleine in ihrem Schlafsaal. Vor Ferne hört man Trommelklang. Es steht auf und geht im Nachthemd auf die Suche. Unter dem Tempel scheint es einen alten Kellerraum zu geben, dessen Türe jetzt offen steht. Sie schleicht vorsichtig nach unten. Jetzt erschallen auch leise Ritualgesänge. Alle jungen und alten Drachen sitzen um einen Beschwörungskreis herum. In der Mitte des Kreises steht einer der Lehrer, ein alter Bronzedrachenabkömmling, der sie nie mochte, in einem chromatischen Gewand!
Das Mädchen zögert einen Moment, geht weiter zur Waffenkammer, die ebenfalls im Keller ist und holt sich dort einen Zweihänder. Die Waffe ist viel zu groß und zu schwer für sie, aber sie trägt sie lässig in ihren Händen.
Sie versucht, den alten silbernen Drachengeborenen zu holen, aber auch dessen Bett ist leer. Sie läuft durch alle Gänge, aber es ist niemand da, der ihr helfen kann. Sie ist alleine.
Was dann kam, überraschte selbst die abgebrühtesten Massenmörder unter den Zuschauern und da saßen und standen einige.
Sie stürmt schreiend in den Raum, das Schwert wirbelt durch die Luft und Arme, Beine und Köpfe hüpfen lustig durch den Keller. Blut spritzt und bildet riesige Pfützen auf dem Boden.
Ich habe ja schon öfter gesehen, was passiert, wenn sie sich aufregt, aber das war außergewöhnlich. Dann erlosch die Projektion. Xera taumelte und Lilith stützte sie, bevor sie stürzen konnte.
"Ich bin beeindruckt", flüsterte die Dämonin, "und das sage ich selten."
Ich nahm Xera in den Arm. "Dein Handeln war richtig. Ich glaube, Bahamut hat deine Erinnerung blockiert, damit du nicht in Schuldgefühlen ertrinkst. Du hast dich als wahre Glaubenskriegerin erwiesen."
"Aber ich bin deswegen in der Hölle gelandet!"
"Schau, ich war auch ein netter, friedlicher und loyaler - gut, das friedlich streichen wir - Dunkelelf, der alles getan hat was ihm seine Kultur vorgegeben hat. Ich bin auch hier. Es wird einen Sinn haben. Dein Gott besucht dich und sagt dir, dass du auf dem richtigen Weg bist. Er hat dir auch einen Hinweis gegeben: 'Nicht alles, was meine Farben trägt, ist auch von meinem Geist'. Kann also alles nicht so schlimm sein."
"Willst du noch einmal zu dem Kloster reisen, um damit abzuschließen?", fragte Viridicus, für seine Verhältnisse sogar recht einfühlsam.
"Ja, ja, ich glaube, das wäre gut", murmelte Xera.
Saira klatschte in die Hände. "Eine famose Idee. Vielleicht kannst du mir etwas mitbringen? Hier fehlt es an Leben. Dort ist auch ein kleiner Hund. Wenn ihr den mitbringen könntet?"
Mir schwante Böses. "Ein kleiner Hund? Wie in 'Hund, wohnt im Haus und macht Kunststückchen'?"
Sie nickte. Ich glaubte ihr kein Wort.
"Er ist etwas unerzogen, aber das bekomme ich hin."
"Hat er drei Köpfe?"
Sie sah mich seltsam an. "Nein?"
Viridicus sagte noch, dass wir den Behemoth für den Transport bekommen würden. Den sollten wir dann aber bitte irgendwo gut getarnt abstellen und das Kloster heimlich erkunden.
Also gingen wir schlafen. Heute einmal ohne Lilith, weil ich morgen früh meinen gesunden Körper brauchen würde. Sie meinte, das wäre in Ordnung, sie würde mit dem Häuten anfangen und da könnte sie keine Zuschauer gebrauchen.
Am Morgen wurde ich wach und hatte eine fürchterliche Idee. Die Museen hier waren voll von seltsamen Artefakten und grässlichen magischen Gegenständen. War der Angriff gegen Viridicus und sein Haus vielleicht nur eine Ablenkung gewesen? Fehlte was, was besser nicht fehlen sollte? Das sollten wir Viridicus fragen.
Zum Frühstücken kamen wir nicht mehr. Wir sollten uns sofort (!!!) am Naturkundemuseum einfinden. Ich schnappte mir noch ein paar Muffins und wir liefen los.
Dort stand Viridicus, eine kleinere Armee von Teufeln und vier weitere Kampfwagen. Diese waren allerdings deutlich kleiner als unserer und mit einem langen Rohr auf der Ladefläche ausgestattet. Rote Runen blinkten infernalisch auf den Rohren herum. Besetzt waren die Wagen mit unseren Saufkumpanen von letztens. Ich winkte ihnen freundlich zu. Die Verteilung war wie bei uns, die Frauen fuhren und die Männer bedienten die Geschütze.
"Ah, da seid ihr ja endlich," brummte Viridicus, "ich hoffe, ihr habt gut geschlafen, während wir gearbeitet haben?"
"Leidlich, eure Gönnerschaft, wir wurden etwas abrupt herausgerufen." Ich biss ein weiteres Stück von meinem Muffin ab.
"Schluck das endlich runter, verdammt nochmal, und dann ab an die Arbeit. Hier, in meinem Museum für Naturgeschichte scheint sich der Mutterriss zu befinden. Abyssale Kreaturen klettern auf meinen Ausstellungsstücken herum." Seine Stimme wurde lauter und schriller. "AUF MEINEN EXPONATEN!"
Er holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen.
"Euer Auftrag lautet: Fahrt durch die Räume und tötet alles. Wirklich alles. Ich wünsche eine vollständige Desinfektion. Euch folgen die Kampfwagen hier und reinigen die Hallen."
"Verzeiht die Frage," mischte sich Xera ein, "sind noch weitere Klienten von euch da drinnen?"
"Ja, aber wir haben keine Lebenszeichen mehr. Daher gehe ich davon aus, dass sie entweder tot oder besessen sind."
Hinter uns rumpelte es vernehmlich und der Bartteufel fuhr Behemoth vor.
"Oha, mit dem Ding bleibt aber nicht mehr viel stehen."
"Die Gänge sind breit genug. Ich wünsche minimalen Schaden an Vitrinen und Exponaten."
"Eure Gönnerschaft, der Skorpion ist ein wenig eingeschränkt in seiner Bewegungsfähigkeit. Eigentlich schießt er nur nach hinten. Außerdem wären Scheiben nicht schlecht, denn bei Regen, Staubstürmen oder spritzendem Dämonenblut sieht man auch nicht viel. Ich sollte mal mit eurem Chefkonstrukteur sprechen."
Viridicus drehte sich um und fixierte den Bartteufel. "Ed, hast du ihnen die Sicherheitsprotokolle erklärt?"
Die normalerweise sehr rote Hautfarbe von Ed verblasste zu einem hellen Rosa.
"Ähm, also ... nein."
"Dann hol das sofort nach und dann meldest du dich in der Folterkammer. 20 Einheiten auf Stärke 5 sollten dein Gedächtnis wieder in Gang bringen."
"Ja Meister, sofort Meister."
Da hatte jemand sehr schlechte Laune.
"Eure Gönnerschaft, bitte verzeiht die nochmalige Störung, aber ich habe eine Idee."
"Und welche?"
"Der Angriff gestern, galt der wirklich euch? Oder war das eine Ablenkung, um ungestört etwas aus einem eurer Museen zu entwenden? Ich komme darauf, weil wir ja schon einmal während der Rückkehr von Dämonen überfallen worden waren, die uns das Buch der Toten stehlen wollten."
"…"
"Nun, ich sehe, die Idee ist euch noch nicht gekommen. Da hat es ja einen Vorteil, dass ich im übelsten Intrigensumpf des Universums sozialisiert wurde." Ich grinste.
"Danke, ich lasse das prüfen."
Behemoth war erfreut, dass wir wieder mit ihm fuhren und beglückwünschte uns zu unserer 'interessanten' Jungfernfahrt.
"Wo soll es heute hingehen, meine Gebieterin?"
"Da rein, Dämonen töten." Sie zeigte auf das Gebäude.
"Jawoll, alles plattmachen." Es kicherte aus dem Armaturenbrett.
Ich glaube, wenn Bahamut ruft, wird sie den Wagen mitnehmen wollen.
Ed erklärte uns die Zusatzfunktionen der Bordeinrichtung. Man konnte den Skorpion entriegeln und dann war er tatsächlich rundum zu benutzen. Besser noch, Spruchbenutzer konnten Zauberplätze in ihn laden und damit die Wirkung verstärken. Das funktionierte wohl ähnlich wie bei Xeras gleißendem Schaden.
Man konnte Fenster hochfahren, allerdings bestanden die aus infernalischem Feuer und man war praktisch blind. Dafür kam nicht mehr viel von außen in das Innere der Fahrgastzelle. Die Plattform mit der Armbrust blieb offen.
Wir bekamen jeder eine Atemschutzmaske in die Hand gedrückt mit der Warnung, sie drinnen niemals abzunehmen. Abyssale Luft wäre ungesund. Neben dem Eingang waren Kisten mit Ausrüstungsgegenständen gestapelt. Leider vergaß man auch hier wieder, uns das zu sagen. Was da drin war, würden wir später kennenlernen.
Ich schlenderte zu unseren Kumpels rüber.
"Hallo Heinrich, wie geht's? Was sind das hier für Wagen?"
Der grinste zu mir herunter. "Das sind die Kampfwagen Typ 2, 'Flammingo'."
"Flamingo? Die Wagen sind doch nicht rosa."
Die Herren und Damen oben in den Wagen fanden das wohl ungeheuer witzig und lachten sich kaputt.
"Das ist ein Wortspiel. Wirst gleich sehen, was damit gemeint ist."
Die Museen, also deren Inneres, waren ebenfalls Taschendimensionen, erklärte uns Viridicus. Hier konnte man nur an einer Stelle heraus und das war der Haupteingang. Der Vorraum war bereits gereinigt und am Durchgang zum zweiten Raum hatte man eine Art Energiefeld installiert, welches milchig war und leicht durchsichtig.
"Wie macht man das auf?", wollte ich wissen.
"Ihr gar nicht. Stellt euch davor und winkt. Das Öffnen geht nur von dieser Seite. Das ist ja der Sinn eines solchen Verschlusses."
Also dann. Der Vorhang fiel und fünf Kampfwagen fuhren langsam in die nächste Halle. Hinter uns flackerte der Energieschirm sofort wieder auf.
Der erste Raum wirkte noch leidlich intakt. Auf den Scheiben der Vitrinen waren Schlagspuren zu sehen und in einigen klafften faustgroße Löcher. An den Kanten der Vitrinen hatte sich ein rosa und purpurfarbener Belag gebildet, ein wenig wie Algen an der Wetterseite eines Gebäudes. In der Luft trieben kleine Staubflöckchen, die einen ähnlich Farbton aufwiesen. Gesund sah das wirklich nicht aus. Die Kampfwagen fächerten sich auf und begannen, systematisch Boden, Vitrinen und Decke zu säubern. Aus den Rohren schlugen gelblichorange Flammenzungen und verbrannten das Zeug in Bruchteilen von Sekunden. 'Flammingo', haha, selten so gelacht. Die Wagenbesatzungen gingen sehr methodisch vor, um ja kein Fleckchen auszulassen.
Wir fuhren dieweil den Hauptgang entlang und näherten uns dem nächsten Durchgang.
Hier war die avianische Abteilung und wir hörten ein Kichern und Schnattern aus der Mitte des Raumes. Dort stand neben anderen eine Vitrine von gut zehn Meter Höhe, die diverse größere Vogelskelette behauste. In dieser Vitrine war oben ein breites Loch. Wir sahen zusätzlich noch zwei bis drei geflügelte kleine Dämonen, die durch die Skelette turnten, aber die Quasits, denn um solche musste es sich handeln, machten sich beim Anblick von Behemoth sofort unsichtbar.
Die waren lästig, aber harmlos, glaubte ich zu wissen. Die sollten so ähnlich wie ihr Äquivalent aus der Hölle sein, also wie ein Imp. Man kann sich bei so etwas täuschen, wie wir gleich merken würden.
Ich feuerte auf die vermutete Stelle des Dämonen im Brustkorb des großen Vogels, aber die Scheibe lenkte den Schuss ab und zerplatzte dann.
Wir hörten eine abyssale Beschwörung und das riesige Vogelskelett wurde lebendig. Klauen an den Flügeln packten die Scheibe und rissen die Reste aus der Verankerung. Dann kletterte das Skelett heraus. Leider waren nicht nur die morschen Vogelknochen animiert worden, sondern auch die Stahlstreben, auf denen es aufgebaut war. Das Ding beugte sich über den Wagen und pickte nach Xera. Die hackte sich durch die Rippen, aber ihr Schwert wurde von einem der Träger aufgehalten.
Zwei kleinere Skelette begannen, sich ebenfalls zu bewegen. Die beiden verzierte ich mit einem Feenfeuer, um unsere Trefferchancen zu erhöhen. Siehe da, die Skelette und ihre Insassen wurden mit lapisblauem Leuchten überzogen. Das merkten auch die beiden kleinen Dämonen und begannen, uns zu beschimpfen. Einem feuerte ich zur Belohnung die infernalische Lanze in den Körper und er und sein Reittier lösten sich in Knochenmehl und Dämonenblut auf.
Die kleinen Plagegeister hatten aber noch mehr drauf. Die kleinen Skelette waren von den Vogelmännern, die wir besucht hatten. In unseren Köpfen hallten plötzlich Worte wider: "Amhil! Amhil!"
Das warf mich für einen Moment völlig aus der Bahn und ich vergaß, weiter zu schießen. Das nutzte das zweite Skelett tückisch aus und verpasste mir einen üblen Schnabelhieb. Wenigstens wurde ich dadurch wieder wach und erschoss den kleinen Plagegeist im Innern. Xera hatte in der Zwischenzeit ihren Gegner ebenfalls überwältigt, nicht ohne ebenfalls einige Blessuren abbekommen zu haben. Das ging ja gut los.
Xera rief ihr Göttliches Gespür und sah sich um. Im Raum waren keine Dämonen mehr. Dafür entdeckte sie zu unser beider Entsetzen eine Aura an uns. Wir waren untot! Nicht besonders dolle, aber gut sichtbar. Mist, ich dachte, wir wären wiedergeboren worden. Offensichtlich waren wir nur belebt. Nun gut, ich hoffte sehr, dass Bahamut da was drehen konnte, wenn es drauf ankam. Schließlich machte uns das verwundbar bei bestimmten Priestertypen. Andererseits wirkten Heiltränke bei uns und das konnte nicht sein, wenn wir wirklich und wahrhaftig Untote wären. Gut, das Problem mussten wir später lösen, denn es wartete der nächste Raum auf uns.
Dieser Raum war mit pilzartigen Knollen überwachsen, die leicht pulsierten. Auf den Knollen waren Fingernägel aller möglicher Rassen verwachsen, die leise gegeneinander rieben oder aneinander klackten. Jetzt war ich recht froh, kein ausgiebiges Frühstück gehabt zu haben. Wer glaubt, die Hölle sei schlimm, sollte sich mal im Abyss umsehen.
Ich ballerte einen Schuss in einen solchen Pilz, aber außer, dass er schlaff wurde, passierte nicht viel. Behemoth mahlte sich mit hörbarem Schmatzen durch den widerlichen Morast.
Aus dem nächsten Raum war Kichern zu vernehmen. Ich beschloss, mir das erst einmal anzusehen, bevor wir mit der Kavallerie hinein donnerten.
Ich spähte vorsichtig durch den Durchgang des vierten Raums. Der Boden war hier bereits komplett überwachsen und es waren mehrere menschengroße Hügel unter dem Bewuchs auszumachen. Die Hügel bewegten sich leicht. Ich war mir sicher, dass ich gerade die vermissten Agenten gefunden hatte.
Rechts von mir war das Kichern zu hören. Ich blickte vorsichtig um die Ecke. Dort saß ein Dämon mit kleinen Flügelchen, etwa menschengroß, mit allen seinen vier Extremitäten an die Wand geklammert. Ich stützte mich kurz an der Wand ab und packte prompt in einen der Nagelpilze, die zum Dank meine Hand zerkratzten. Dadurch war ich leider nicht so leise wie gewünscht, denn nun bemerkte er meine Anwesenheit. In seiner Hand bildete sich eine Kugel, die er nach mir warf. Feuer umspielte mich und es tat höllisch - abyssisch? - weh. Ich machte, dass ich davon kam und rannte zum Wagen zurück.
Wir beschlossen, mit geschlossenem Visier hineinzufahren. Behemoth sollte über die Hügel rollen und erst anhalten, wenn nichts mehr zuckte.
Ein prima Plan. Wir schlossen die Fenster und rollten in Feuer gehüllt in den Raum. Es ruckelte ab und an, wenn Behemoth jemanden überfuhr. Dann hörte wir zirpen auf den Ladefläche und einer der Dämonen war gelandet. Er versuchte, sich durch den Feuervorhang zu schieben und wurde für diese böse Tat von Xera und mir mit Schwerthieben bestraft.
Weitere Wesen landeten auf der Plattform und machten sich über die Armbrust her. Der Feuerschild musste runter, ansonsten waren wir gleich waffenlos. Xera ließ die Schilde herunter und wir gingen die beiden hinten besuchen. Ich fiel überraschend über den Dämon her und schlitzte ihn fachgerecht auf. Xera hatte es mit einem pilzüberwucherten Agenten zu tun. Jetzt lernten wir, was sich in den Ausrüstungskisten befunden hatte. Er hatte einen Art Rucksack auf dem Rücken, mit dem er fliegen konnte und er war komplett in eine Art Schutzschild gehüllt.
Draußen sah ich aus den Augenwinkeln weitere Agenten aus ihren Kokons klettern und ein dritter Dämon machte sich bereit, uns mit einer Feuerkugel zu bewerfen. Behemoth führte weiter seinen Befehl aus und überfuhr einen Agenten nach dem anderen. Die waren durch ihren abyssalen Pflanzenbewuchs doch arg behindert und kamen nicht schnell genug vom Fleck.
Xera hackte sich durch den Schutzschild, der zwar Treffer absorbierte, aber mit der schieren Gewalt von gleißendem Licht und Blitz überfordert war. Er explodierte und riss den Agenten auseinander. Leider trafen auch uns die Splitter und anderes. Und der Feuerball des verbliebenen Dämons.
Ein weiterer Agent landete auf der Motorhaube. Der Dämon ging zu einer anderen Waffe über und bewarf Xera mit einer Säurekugel, die sich durch ihren Kettenpanzer fraß und eine hässliche Lache auf dem Boden erzeugte. Xera, die ja keine Stiefel trug, bekam Probleme mit dem Auftreten.
Ich klemmte mich hinter den Skorpion und entfernte die eklige Kühlerfigur. Der Dämon ließ sich auf mich fallen und es gab einen kurzen, aber intensiven Schlagabtausch, der erfreulicherweise zu meinen Gunsten ausging. Behemoth zermatschte dieweil den letzten Agenten. Der letzte der Dämonen flüchtete in den angrenzenden Raum.
Wir waren rechtschaffen angeschlagen, aber Rückzug kam wohl nicht in Frage, denn dann hätten wir wieder von vorne anfangen müssen. Also tranken wir unsere Vorräte an Heiltränken aus und Xera half mit ihren Heilenden Händen zusätzlich nach. Leise rülpsend machte ich mich danach auf den Weg zu einer Vorerkundung.
Im Durchgang waren entfernt unheilige Gesänge zu hören. Der letzte Fel, der geflohen war, klebte über der Tür und ließ sich auf mich fallen. Dabei spießte er sich fein säuberlich auf meinen Kurzschwertern auf. Allerdings war er nicht alleine, denn hörte ich ledrige Schwingen und weitere geflügelte Dämonen, diese eher in nachtschwarz gehalten, machten sich zum Angriff bereit.
In dem Raum wogten trauerweidenartige Gebilde, deren Zweige aus menschlichem Haar gebildet waren und die in einen nicht spürbaren Luftzug hin und her wehten.
Einer der Vögel wurde von einem Blitz getroffen und fiel zu Boden. Behemoth erledigte den zuckenden Rest und ich schwang mich wieder an Bord. Wir fuhren die Feuerwände hoch, was den Dämonen wohl egal war. Vier von ihnen landeten, ziemlich angesengt, in unserer engen Kabine. Erfreulicherweise waren sie nicht mehr besonders robust und wurden schnell eliminiert. Nach der Säuberung dieses Raums stieg ich erneut ab und schaute mir den nächsten Raum an.
Der sechste Raum war komplett von dem kranken Zeug überwuchert. Es bildet Büsche auf dem Boden und lianenartige Ranken, die von allem herunterhingen, was möglich war. Um den Raum zu reinigen, bräuchte es mehrere Feuerbälle, würde ich meinen. Dämonen waren hier keine zu sehen. Der Gesang war hier deutlich lauter zu hören und kam aus dem nächsten Raum. Ich ging vorsichtig durch den Raum und bemühte mich, nichts zu berühren. Dann erreichte ich den Durchgang. Was ich dort sah, verschlug mir den Atem. Wir waren am Ziel!
Die Bannsänger waren so vertieft in ihr Tun, dass sie mich nicht bemerkten. In den Ecken der Halle standen vier mächtige fleischige Säulen, die leise pulsierten. Auf einem Podest aus ebenfalls pulsierendem Fleisch standen gut 20 Gestalten in eitergelben Roben, deren atonaler Gesang rhythmisch auf und ab schwellte. Einige hatte ich schon mal gesehen. Das waren Agenten des Viridicus! Über dem Podest hatte sich ein violetter und gelber Riss gebildet und darin bewegtes sich etwas. Ich sah ein wunderschönes Frauengesicht mit langen schwarzen Haaren, einen nackten weiblichen Oberkörper und einen schlangenartigen schwarz geschuppten Unterleib. Sechs lange scharfzahnige Schwerter in ihren sechs Händen vervollständigten das Bild einer Marilith. Einer besonders großen.
Ich bete zu allen Bahamuts aller Universen und ein Strahl lapisblaues Licht raste auf den Spalt zu. Lapisblaue Flammen züngelten über die Ränder und verdampften sie. Ich sah noch, wie sich das hübsche Gesicht zu einem Wutschrei verzerrte und ich konnte nicht anders, ich gab ihr die universelle Geste des Mittelfingers.
Der Gesang brach ab und entsetzte Schreie waren zu hören. Die Kultisten drehten sich um und deuteten auf den Durchgang. Dann grollte Behemoth auf und, gefolgt von vier feuerspeienden Kampfwagen, gingen wir ans Aufräumen. Es gelang Xera und mir, drei lebend zu ergattern, damit sich auch Viridicus ein wenig amüsieren konnte. Das Schicksal von Verrätern war uns beiden nämlich sehr egal.
Wir brannten das Podest weg, aber wir fanden keinen Gegenstand, der magisch war und für das Ritual eventuell zu gebrauchen gewesen wäre.
Wir fanden aber noch ein Amulett, was eine Scheibe mit infernalischen Glyphen darauf war sowie einen Trank, der nach Weihrauch roch. Wir brauchten dringend jemand, der das identifizieren konnte.
Ich versuchte während der Rückfahrt mit einem der Drei zu reden und zog ihm den Knebel heraus.
"Warum habt ihr das gemacht?"
"Du bist noch nicht lange dabei, stimmt's?"
"Ja, das ist so."
"Ich mache den Job jetzt seit über 1000 Jahren, ohne Hoffnung auf Erlösung. Du bleibst in seinen Klauen für immer und ewig. Ich wollte nur noch sterben."
"Und das hat dir eine Dämonin versprochen?" Ich schüttelte mitleidig den Kopf. "Teufel halten Verträge ein, Dämonen niemals. Ich muss das wissen, denn ich bin ein Drow. So schlecht ist er doch gar nicht als Patron."
Der Gefangene lachte auf. "Er hatte mal eine Freundin …"
"Ja?"
"Ich sage jetzt nichts mehr. Frag ihn selber, vielleicht erzählt er seinen neuen Lieblingen ja was."
Gut, dann nicht. Er bekam seinen Knebel wieder und nach kurzer Zeit erreichten wir den milchigen Vorhang. Dort erwartete uns ein Hindernis der üblen Art. Vor dem Vorhang stand ein alter fettleibiger und hässlicher Bekannter, nämlich der Pförtner, der uns aus der Reihe winken musste.
Der erkannte uns auch und seine Miene verdunkelte sich. Xera musste ziemlich betteln, damit er endlich das Portal öffnete. Wir sagen ihm, dass wir Gefangene hätten und wir umgehend Viridicus darüber informieren müssen. Er zog er einen kleinen Imp unter seiner Achsel hervor, der leicht grün um die Nase herum wirkte. Der arme kleine Kerl tat mir spontan leid.
Nach einiger Zeit kam er wieder und meinte, dass wir zum Hauptgebäude kommen und die drei in der Seelenkammer abgeben sollen. Ich hatte eine Eingebung und fragte ihn, ob er uns den Weg zeigen könne? Begeistert bejahte er. Das war zwar jetzt nicht lange, aber jede Minute an der frischen Luft musste für ihn ein Geschenk sein.
Wir lieferten die Gefangenen ab und machten uns auf den Weg zu Viridicus. Der begrüßte uns herzlich, aber es war deutlich zu sehen, dass er sehr nervös war. Schweiß perlte auf seiner Stirn und er wirkte fahrig.
"Meine eigenen Angestellten, ich fasse es nicht. Habe ich sie nicht immer gut behandelt? Sie wussten doch, was sie da unterschrieben haben. Das hätten sie ja nicht tun müssen, wenn sie mit den Klauseln unzufrieden waren."
Xera und ich sahen uns an.
"Wieviele Angestellte habt ihr eigentlich, Eure Gönnerschaft?", fragte ich.
"Gute einhundert, warum?"
"Das war dann aber ein erklecklicher Anteil an Unzufriedenen", meinte Xera, "mehr als ein Fünftel."
"Einer der Gefangenen meinte, dass es schlimmer geworden ist, als Ihr eure Freundin verloren habt.", ergänzte ich dreist. "Können wir euch da vielleicht helfen?"
Sein Gesicht war sehenswert. Ein Volltreffer in die Magengrube, würde ich meinen. Ich hoffte, wir sterben jetzt nicht auf der Stelle.
"Das ist eine sehr persönliche Frage." Er überlegte. "Warum nicht. Wenn ihr die Geschichte kennt, dann seid ihr gegen Gerüchte gewappnet. Das war noch vor der Zeit der Museen. Ich hatte mich in einen gefallenen Engel verliebt. Sie war wunderschön … " Seine Worte verloren sich ein wenig, als er an die Vergangenheit dachte, "… und wir hatten ein gemütliches Domizil in einer wunderschönen Gegend der Hölle. Unser Haus stand auf einem Hügel, der Garten wurde von drei Sonnen beschienen und der Fluss der Verdammten floss in der Nähe vorbei und lud zu ausgedehnten Spaziergängen ein."
Wir warteten. Sein Gesicht wurde traurig.
"Ich musste sie verbannen. Sie war sehr sprunghaft und gierte nach Macht. Macht, die ich ihr so nicht geben konnte und wollte. Also öffnete ich ein Tor in den Abyss und schickte sie hindurch. Unstrittig zu sagen, dass sie mich aus tiefer Seele für diese Tat verfluchte. Ihr Name ist übrigens Saira."
"Wegen Lust auf Macht? Dann müsste jeder Drow im Abyss schmoren", meinte ich.
"Es gibt einen Unterschied zwischen Recht, Gerechtigkeit und persönlichen Machtansprüchen. Das ist eine moralphilosophische Grundsatzbetrachtung, mein lieber Ghaundar. Eure Göttin und damit Euer Volk haben da den Kompass verloren."
Ich wollte gerade etwas Zustimmendes erwidern, als es klopfte. Viridicus öffnete und ein Imp flatterte vor der Tür. Er deklamierte mit piepsiger Stimme, dass die Flammingos ein Objekt freigelegt hätten und dass sich Viridicus das bitte ansehen möge. Viridicus seufzte und machte sich auf den Weg. Xera und ich sahen uns an und, weil uns keiner was anderes gesagt hatte, beschlossen wir, unserer Neugier freien Lauf zu lassen und ihm zu folgen.
Es ging schnellen Schrittes zum Museum und dort in den Raum der Beschwörung. Teile des Fußbodens waren verschwunden und dort schimmerte eine blutrote kristalline Masse. Ab und an funkelten kurz kleine Lichtpunkte auf. In der Mitte war eine kleine Pyramide aus dem Material herausgewachsen und reflektierte das Tageslicht, welches durch die Fenster fiel.
"Was, bei allen Göttern, ist das?", entfuhr es mir.
"Das ist pure abyssale Essenz", murmelte Viridicus. "Ich frage mich …"
"Könnte das nicht auch der Geist des Gönners sein?", flüstert mir Heinrich zu.
"Der ist doch infernalisch", antwortete ich.
"Vielleicht ist das ja der Gönner weitergedacht, sozusagen die Essenz des Gönners, denn der Gönner ist ja die Ebene?" Er sah mich fragend an.
Das war eine sehr kluge Frage. Leider war sie an mich wegen mangelndem Wissen verschwendet und so nickte ich nur. "Mag sein, wir werden es ja gleich sehen."
Viridicus begann mit einer Beschwörung. Dann legte er die Hand auf den Boden. Mein Blick für Magisches enthüllte mir Beschwörungsaura. Staub und Aschepartikel wanderten auf die zentrale Pyramide zu und begannen, eine Säule zu formen. Mehr Asche wirbelte um die entstehende Säule herum. Dann öffneten sich zwei violette Augen im Staub und eine weiche Frauenstimme ertönte: "Oh Viridicus! Dich habe ich ja lange nicht mehr gesehen."
Das klang nicht freundlich. Die Intelligenteren in der Halle, also die Agenten, machten sich entweder kampfbereit oder schlichen sich nach draußen. Die Heldenhaften, also Xera und ich, blieben.
Die Säule bildete jetzt unzweifelhaft die Gestalt einer reifen, wohlproportionierten Frau.
"Ich dich auch nicht," seufzte Viridicus." Wie ist es dir ergangen?"
"Nun, die letzte Zeit war fordernd, weil du mich ja ohne meine Kräfte verbannt hattest. Ich hatte alle Hände voll zu tun, mir meinen Status und meine Kräfte zurückzuerobern."
Die Halle bebte und Risse zogen sich durch den Blutstein. Die restlichen Agenten zogen sich zurück. Neugier tötet die Katz oder wie war das? Wir blieben.
"Was hätte ich tun sollen? Du weißt hoffentlich noch, was mit meiner Schwester passiert ist?"
"Hast du Heimweh, Liebster? Meldest du dich deshalb?"
Die honigsüße Stimme war pures Gift. Wir waren mittlerweile sehr alleine mit Viridicus.
"Du hast meine Agenten bezirzt, sich gegen mich zu wenden."
"Ach was, das sind doch nur Bauernfiguren. Du warst immer so kleinlich. Engel, Teufel, Dämon. Ist das nicht in allen von uns, natürlich in unterschiedlich Anteilen? Was gibt es daran auszusetzen? Nun, ich habe mir ein neues Reich geschaffen, mit eigenen Untergebenen. Willst du mich mal besuchen? Dann können wir über alte Zeiten plaudern."
Sie lachte, ein sanftes, verheißungsvolles Lachen. Und dann passierte es. Viridicus seufzte sehnsuchtsvoll auf und streckte die Hand aus, um die Aschenfigur zu berühren. Ein blutroter Blitz zündete und beide waren verschwunden. Es rumpelte und im Boden bildeten sich Risse. Jetzt nahmen auch Xera und ich unsere Beine in die Hand und hasteten zum Ausgang. Das ganze Gebäude bebte, Vitrinen brachen und es dröhnte unheilvoll um uns herum. Wir schafften es gerade noch durch den Vorhang, als die Taschendimension hinter uns kollabierte. Draußen zwitschern die Vögel, die Sonne schien und eine Menge betretener Agenten und Teufel standen herum und schauten verdutzt.
Dann setzte eine Wanderbewegung ein und alles strebte zu Turkey. Ich wandte mich an einen Teufel. "Sag mal, müssten wir nicht Papa Bescheid geben?"
"Warum?"
"Wie warum. Sein Sohn ist gerade von einer Dämonin in den Abyss entführt worden. Das sollte man doch Levistus melden."
Er sah mich an, als hätte ich ihm vorgeschlagen, Selbstmord zu begehen.
"Also, das könnte nur ein ranghöherer Teufel, als ich das bin. Ich habe erst den 47. Rang. Du musst mindestens Rang 10 haben, um das tun zu können."
"Gibt es hier einen Stellvertreter?"
"Klar, der Oberste Leser der Verträge. Den findest du im Haupthaus. Er hat das Zimmer direkt unter Viridicus."
Wo auch sonst. Das ist raumgewordene Hierarchie. Da weiß du, wo dein Platz ist. Unter dem Hintern vom Chef.
Wir klopften und der Pförtnerteufel rief uns herein. Auch das noch. Wir erzählten ihm vom Verschwinden seines Chefs und das wir das als Problem ansähen. Das sah er nicht so.
"Was soll sein. Viridicus macht einen Ausflug. Der kommt schon wieder."
"Aber …"
"Falls euch langweilig wird, dann suche ich euch einen netten kleinen Auftrag raus. Ich hätte auch gerne ein paar Sachen. Und nun verschwindet, ich habe zu tun."
Also gingen wir auch zu Turkey. Was sollten wir auch sonst tun.
Die Bude war rappelvoll, aber wir fanden noch einen kleinen Tisch. Nach einiger Zeit tauchte Turkey auf und der war sichtlich deprimiert. Tropfen von Bratensoße rannen über seinen Truthahnkopf und er fragte mit weinerliche Stimme nach unseren Wünschen.
"Einen Kuchen, wenn noch da. Wir müssen überlegen, wie wir Viridicus wiederholen können."
"Das wollt ihr tun?" Er wirkt erstaunt und erfreut. "Das ist ja toll. Ohne ihn wird diese Dimension nämlich zu Grunde gehen. Das weiß hier keiner oder ignoriert das."
"Wie bitte?"
"Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber ohne ihren Herren halten diese Dimensionen nicht sehr lange, habe ich gehört."
"Das müsste doch auch der Pförtnerdämon wissen."
"DER?"
Turkey seufzte.
"Der ist jetzt Boss und genießt das. Wenn er merkt, dass der Zusammenbruch einsetzt, dann ist es zu spät. Geht zum Schmied, direkt neben der Wagenhalle. Der ist am längsten hier und kam direkt, nachdem Viridicus hier alles eingerichtet hat."
Wir bedankten uns artig und Turkey holte den Kuchenwagen. Der Zusammenbruch hatte offenbar bereits eingesetzt, als wir seine Törtchen betrachteten. Die waren krumm und schief und in einem steckte ein Hühnerschlegel zwischen den Blaubeeren. Der arme Turkey war völlig von der Rolle. Wir nahmen uns zwei unverfänglich aussehende Exemplare - Xera fischte eine eingebackenen Gabel aus ihrem - und gingen dann den Schmied besuchen.
In der Wagenhalle gab es eine kleine Pforte und dahinter waren die unmissverständlichen Geräusche von Eisenhandwerk zu vernehmen. Wir öffneten die Tür und standen in der Hölle. Riesige Feuer loderten, mächtige Schmiedehämmer schlugen auf rotglühendes Eisen ein und es war heiß. Sehr heiß. Mir brach der Schweiß aus und ich war noch nicht mal eingetreten. Der Schmied war gute fünf Meter groß und wohl ein Feuerriese.
Durch den kühlen Luftzug in seinem Rücken vorgewarnt drehte sich der Riese um und eine freundliche Stimme rumpelte: "Was wollte ihr? Waffen? Rüstungen? Das dauert aber, bin gerade sehr beschäftigt."
"Turkey sagt, dass du uns helfen kannst. Viridicus wurde von jemand namens Saira entführt."
"WAS?"
Der Riese ließ den Hammer sinken und zeigte auf eine kleine Sitzgruppe.
"Das ist ja schrecklich. Wie kann ich euch helfen?"
"Turkey sagte, du weißt am meisten hier. Wir würden ihn gerne zurückholen, aber wir haben keine Ahnung, in welcher der 999 Ebene sie sitzt. Vielleicht kannst du uns da helfen."
"Kann ich," nickte der Riese, "ich heiße übrigens Thorfinn."
Wir stellten uns auch vor. Dann begann Thorfinn zu erzählen.
"Er ging am Anfang jeden Abend in den Glockenturm. Die Glocke läutete dann siebzehn mal. Irgendwann hörte das dann auf und er wandte sich dem Aufbau seiner Museen zu."
"Wo finden wir denn den Turm?"
"Es gibt wohl einen Zugang von der Haupttreppe aus. Genau weiß ich das nicht, denn das ist alles zu klein gebaut für mich."
Wir bedankten uns herzlich, aber dann hatte Xera noch ein Anliegen.
"Wegen der Rüstungen, ich könnte schon was Besseres gebrauchen", meinte sie. "Nach jedem Kampf muss der arme Ghaundar die Löcher flicken."
Der Riese sah mich an. "Du bist Schmied?"
"Nein, Zauberer."
"Klar, hätte ich mir denken können bei den dünnen Ärmchen."
Dann wandte er sich wieder an Xera.
"Ich könnte dir eine lorica segmentata machen."
"Hä?"
"Das ist eine Bänderrüstung aus richtigen Eisenringen, nicht aus den ummantelten Löchern eines Kettenpanzers. Am besten wäre die natürlich zusätzlich noch mit Adamant verstärkt, aber davon habe ich zurzeit nichts hier."
"Ha, aber ich habe da was", sagte ich und zog die beiden Barren aus meinem Nimmervollen Beutel. "Reicht das?"
"Hui, ja, das reicht. Erstaunlich, was sich in diesen tiefen Taschen so findet?"
Er lachte dröhnend.
"Dauert ein paar Tage, aber ich mache mich direkt daran. Viridicus hat Priorität und seine Retter erst recht."
Er zog ein Maßband aus seiner Tasche. In seinen riesigen Pranken wirkte es winzig. Dann nahm er Xeras Maße. Wir verabschiedeten uns von ihm und gingen den Aufstieg zum Glockenturm suchen.
Der war tatsächlich sehr unauffällig in die Wand eingepasst worden. Endlose Treppen wanden sich nach oben und dann standen wir endlich in der Glockenstube. Die war nach drei Seiten hin offen. Auf der vierten Wand war ein Mosaik eingelassen worden. Vielfarbige Ringe waren mit- und ineinander verschlungen und das Ganze machte einen sehr chaotischen Eindruck. Magisch war es natürlich auch. Es sah ein wenig wie ein Astrolabium aus. Was mir sofort ins Auge fiel war ein smaragdgrüner Fleck, der sich in der Mitte des Mosaiks befand. Wie aktivierte man das Ding?
Die Glocke war alt und lange nicht benutzt worden. Staub und Spinnweben bedeckten sie und den Klöppel.
Ist euch eigentlich schon einmal aufgefallen, dass, egal wo du in den Welten auftauchst, die Spinnen schon da sind? Komisch, oder?
Wir begannen, nach einem Mechanismus zu suchen. Wir fanden ihn durch Zufall. Xera murmelte etwas in der Art wie 'der hat nach Saira gesucht' vor sich hin. Bei der Erwähnung des Namens begann die Glocke zu zittern. Also sprach sie ihn laut aus.
Wir wurden fast taub, als das Ding zu bimmeln anfing. 17 mächtige Glockenschläge ertönten. Kleine Figuren strömten aus Turkeys Diner und bewunderten das Schauspiel. Wir bewunderten das Mosaik, welches anfing, sich zu bewegen. Die Ringe verschoben sich und griffen auf neue Art ineinander und am Ende sah das Bild völlig anders aus. Xera erinnerte sich endlich, dass im Bordgerät des Behemoth eine ähnliche Darstellung zu sehen gewesen war. Ed hatte ihr erklärt, dass das die Sprungkoordinaten wären.
Also malte ich das Bild so gut es eben ging ab und schrieb die Farben an die Linien. Hoffentlich konnte Ed etwas damit anfangen.
Wir gingen ihn suchen und fanden ihn in seiner geliebten Wagenhalle. Er besah sich das Bild und meinte, dass er das wohl einprogrammieren könnte. Er könne aber nicht sagen, wo wir in dieser Ebene herauskämen, dafür wäre es zu unpräzise. Und wenn wir zurückwollten, bräuchten wir noch Rückkehrkerzen.
Die gab es im Ausrüstungslager und wir nahmen zwei mit. Ebenfalls mehrere Heiltränke. Dann war ein spätes Abendessen angesagt und eine lange Bettruhe. Nach diesem Tag waren wir völlig erledigt.
Wir müssen das tun! Ohne Patron wird das hier im Chaos enden. Oder der dicke eklige Pförtner wird zum Patron, aber dann gibt es hier Mord- und Totschlag. Ich würde die Rebellion persönlich anführen, das schwor ich mir.
Turkey hatte was Besonderes für uns. Zum Frühstück gab es ein Heldenmahl. Zuerst wollte ich nicht so recht, als ich die Massen an Speisen sah, aber Turkey erklärte uns, dass wir nach diesem Frühstück für 24 Stunden immun gegen Gifte, Furcht, Besessenheit und andere Kleinigkeiten wären. Das hörte sich gut an und so hauten wir rein. Dann ging es etwas schwerfällig zur Wagenhalle, wo Behemoth bereits in freudiger Erwartung zitterte.
Er rauschte nach draußen in den Park, beschleunigte und dann rasten wir durch die Schwärze.
Wir rumpelten auf eine kahle Ebene hinaus. Am Horizont hing eine orangefarbene Abendsonne. Es war warm und kleine Wölkchen zogen über einen fliederfarbenen Himmel. Vor uns erstreckte sich eine dichte und hohe Hecke, die sich endlos in beide Richtungen erstreckte. Etwas rechts von uns war eine Lücke zu erkennen.
Auf die hielten wir zu. Die Lücke entpuppte sich als großes, schmiedeeisernes, zweiflügeliges Tor, welches in die Hecke eingelassen war. In der Mitte war ein Schloss zu erkennen. Dahinter erstreckte sich eine lichte Waldlandschaft mit gelegentlich eingestreuten Rasen- und Blumenflächen. In der Ferne war eine Art Herrenhaus auf einem Hügel zu erkennen.
Ich kletterte vom Wagen und besah mir das Schloss genauer. Es war herzförmig und würde einen Schlüssel in dieser Form benötigen. Allerdings konnte ich keinerlei Häkchen oder Rädchen erkennen, die man bewegen konnte. Ein konzentrierter Blick bestätigte meine Vermutung: Das Tor war magisch und ohne den passenden Schlüssel hatte ich keine Chance. Die Hecke war auch keine Alternative, denn sie war gute zehn Meter hoch, etwa fünf Meter dick und bestand aus einem dornigen Zeug, welches gierig kleine Ästchen nach mir ausstreckte.
Da half wohl nur rohe magische Gewalt und so hob ich die Magie des Tores auf. Quietschend öffneten sich die Flügel und Behemoth rollte langsam hindurch. Ich folgte dem Wagen hastig, denn die Flügel begannen sofort, sich wieder zu schließen.
Hinter dem Tor roch es anders, würzig nach Pflanzen und man hörte das Keckern und Pfeifen unbekannter Tiere.
Wir rollten mit Behemoth über den überwachsenen, aber gut erkennbaren Weg, der auf das Herrenhaus zuhielt. Heimlichkeit war hier überflüssig, möchte ich meinen, denn unser Wagen war so wenig heimlich wie ein Stier unter Schafen. Allerdings rollten wir nicht lange, denn nach einer guten halben Stunde stießen wir auf ein Hindernis. Eine Schlucht teilte den Park in zwei Teile. Sie ging, wie die Hecke, auf beiden Seiten ins Unendliche und sie war gute 30 Meter breit. Baumstämme und Lianen würden zwar Xera und mir ein Überklettern ermöglichen, aber für Behemoth war das nichts. Also schärften wir ihm ein, brav zu warten und balancierten über die Schlucht.
Auf der anderen Seite wand sich der Weg weiter durch die wuchernde Vegetation. Dann lernten wir die Tierwelt kennen. Gut getarnt in den Büschen sah ich ein katzenartiges Gesicht. Und ein zweites in den Bäumen über uns. Ich konnte gerade noch Xera warnen, als der Angriff blitzschnell erfolgte. Es waren große Katzen mit vielen Klauen und Zähnen, aber das war nicht alles. Aus ihren Schultern wuchsen zusätzlich zwei Schlangen, die uns ebenfalls angriffen. Jetzt war ich froh über das Heldenmahl, denn was da von den Fängen tropfte, war kein Honig.
Wir wehrten uns verbissen und die Anzahl der Katzen schwoll auf vier an. Das war ein langer, harter und sehr schmerzhafter Kampf und am Ende waren wir rechtschaffen ausgelaugt. Wir schluckten jeder unsere drei Heiltränke und Xera legte noch ihre Heilende Hand auf. Damit ging es dann einigermaßen und wir marschierten weiter.
Wieder versperrte ein Hindernis unseren Lebensweg, diesmal in Gestalt eines Flusses mit starker Strömung, der lustig vor sich hin rauschte. Überflüssig zu sagen, dass auch der gute 30 Meter breit war, keine Brücke zu sehen war und sich endlos in beide Richtungen erstreckte. Zu allem Überfluss konnten wir gut zwei Meter durchmessende scheibenförmige Fische sehen, die uns aus zahnbewehrten Mäuler angähnten.
Xera zog ihre Maske an. Dann stieg sie ins Wasser und wollte über den Flussgrund marschieren. Die Mondfische waren begeistert und wollten sich über sie her machen. Ich schoss einen an. Der Effekt war spektakulär, denn seine Artgenossen fanden das blutende Ding zum Anbeißen schön und fielen über ihren Artgenossen her. In wenigen Sekunden war er bis auf die Knochen abgenagt. Da hatten wir doch jetzt eine Taktik zur Flussüberquerung gefunden! Ich feuerte weiter und Xera beeilte sich, durch die starke Strömung ans andere Ufer zu kommen. Das klappte leidlich gut, nur einmal verfehlte ich mein Ziel und Xera wurde gebissen. Aber dann war sie auch schon am anderen Ufer und kletterte nach draußen.
Nun war ich dran. Ich suchte mir eine möglichst schmale Stelle, befestigte mein Seidenseil an einem Bolzen und feuerte ihn über den Fluss. Xera erwischte den Bolzen in letzter Sekunde und zog das Seil straff. Nun noch ein wenig Levitation und ich wurde über den Fluss gezogen.
Der Weg führte zu einem Hügel hinauf. Dort stand ein Pavillon, der eine herrliche Aussicht auf den ganzen Park gewährte. Seidenkissen lagen unordentlich auf Bänken und auf dem Boden herum. Ein kleines Tischchen war umgestoßen worden und Gläser und Flaschen lagen auf dem Boden und der ehemalige Inhalt verschmutzte die Seide.
Wir beschlossen, eine Rast einzulegen. Ich fiel in Trance, um meinen Spruchspeicher wieder aufzuladen. Dann machten wir uns auf den Weg zum Herrenhaus.
Wir diskutierten kurz, ob wir das verstohlen machen sollten, aber andererseits wollten wir ja niemanden überfallen. Also spazierten wir offen und unverfroren durch den Eingang und standen in einem großen Innenhof. Auf der linken Seite war der Eingang und vor dem stand die schwarze Marilith, der ich den Spalt vor der Nase zugemacht hatte. Aus einem halbgeöffneten Fenster waren unverhohlen frivole Geräusche zu hören. Da amüsierten sich zwei Personen prächtig. Eine davon war der Gönner, also lebte er noch. Das war schon die gute Nachricht. Durch den geschlossenen zweiten Flügel krachte eine kleine Fußbank.
Die Marilith stand aufgerichtet mit ihren guten zweieinhalb Metern Höhe da und fixierte uns und vor allem mich.
"Was wollt ihr."
"Gute Dame, wir sind Agenten des Viridicus und müssen dringend mit ihm sprechen."
"Die Herrin ist beschäftigt. Wenn sie nicht mehr beschäftigt ist und euch zu sehen wünscht, werde ich euch einlassen."
"Aber …"
"Ihr seid Diener, also kein aber."
Ich verkniff mir zu erwähnen, dass sie das wahrscheinlich auch wäre. Wer steht denn sonst im Hof herum, verscheucht ungebetene Gäste und nennt seinen Boss 'Herrin'?
"Wie ihr wünscht edle Dame. Können wir drin warten?"
"Nein, aber ihr könnt euch hier irgendwo hinsetzen."
Ich merkte, wie es rechts von mir wärmer wurde. Xera begann sich aufzuregen.
"Wenn es sein muss. Wir wollen uns ja nicht mit Gewalt Zutritt verschaffen, schließlich sind wir friedlich hier."
Die Marilith lachte.
"Gewalt? Du kämst nicht an mir vorbei, kleiner Mann. Da bist du nicht kräftig genug für."
Sie grinste und ließ ihre durchaus beeindruckenden Muskeln spielen. Bis auf den Schlangenleib war die Frau wirklich sehr schön. Tödlich schön.
"Das mit dem kräftig stimmt. Meine Kunst ist die Geschwindigkeit, nicht die rohe Kraft."
"So so, also Schnelligkeit. Ihr Kleinen seid nicht schnell."
"Lass es mich versuchen. Ich stehle dir eines deiner Schwerter und du kannst mich nicht daran hindern."
Jetzt trug ich richtig dick auf, aber die Frau nervte mich langsam mit ihrem Hochmut.
Sie sah mich an. "Einverstanden. Auf drei."
Natürlich wollte sie betrügen. Ihre Schwanzspitze ringelte sich bereits in Richtung meines Beins. Da würde ich wirklich flott sein müssen.
Bei zwei griff sie zu. Das hatte ich erwartet, aber die Frau war wirklich schnell. Es gelang mir mit Mühe, meinen Fuß aus der Umklammerung zu bekommen, hechtete mit einer eleganten Flugrolle unter ihren ausgebreiteten Armen hindurch und noch vor der Landung griff ich nach einem der gezahnten Schwerter. Dabei erwischte ich wohl einen Hebel, der die Zähne in Bewegung setzte. Lautes Grollen ertönte und die Kette mit den Zähnen setzte sich in Bewegung. Es roch penetrant nach verbranntem Steinöl. Es gelang mir, einigermaßen elegant wieder auf die Füße zu kommen, ohne mir etwas abzuschneiden, ließ den Hebel los und überreichte ihr das 'Schwert' mit einer Verbeugung.
Sie nickte mir lächelnd zu. "Beeindruckend. Unsere Kinder werden auch keine Probleme mit der Hautfarbe bekommen. Ich heiße übrigens Lilith."
WAS? Warum nicht. Allerdings sah ich ein kleines Problem voraus: Extraplanare weibliche Biologie hatte nie auf meinem Stundenplan gestanden. Das war Neuland.
Sie schleppte mich in ihr Zimmer. Xera musste draußen bleiben. Das Zimmer war direkt rechts hinter dem Eingang und bestand aus einer Menge an Sofas, Kissen und Decken, die kreisförmig angeordnete waren, wie ein Nest.
Xera: Das gibt's doch nicht. Ghaundar geht mit der Dämonin poppen und ich darf hier im Hof herumsitzen und mich langweilen? Da mache ich doch ein paar Spaziergänge. Der Garten um das Haus herum ist in mehrere Abteilungen mit unterschiedlichem Bewuchs gegliedert. So weit, so unspektakulär. Weitere Eingänge finde ich aber nicht.
Dann schnalle ich mir die Kletterschuhe an und gehe mal im ersten Stock nachsehen. Der Lärm hat sich in einen anderen Flügel verlagert. Ich klettere nach oben und schaue durch das Fenster. Es ist niemand zu sehen. Eine umgeworfene Couch, auf dem Boden verteilte Kissen und Kleidungsstücke und einige Flaschen und leere Gläser sind zu sehen. Ansonsten ist in dem Raum nichts Bemerkenswertes. Mich im Haus umzusehen, traue ich mich aber nicht, denn im Nebenzimmer sind schon wieder eindeutige Geräusche zu hören. So klettere ich wieder herunter und habe mich gerade gut hingesetzt, als die Marilith wieder auftaucht, recht zufrieden, so wie es aussieht. Ghaundar scheint ganze Arbeit geleistet zu haben. Sie bittet mich ebenfalls herein und wir dürfen im Inneren übernachten. Natürlich unter ihren wachsamen Augen.
Das war eine interessante Erfahrung gewesen. Mir tat alles weh und ich glaube, ohne den Schuppenpanzer von Bahamut hätte ich hier wirklich ernsthafte Verletzungen davon getragen. So hatte ich viele blaue Flecken und war rechtschaffen erledigt.
Da sonst nichts weiter passierte, dösten wir unter der Aufsicht von Lilith auf zwei Sesseln vor uns hin. Xera fand das alles nicht richtig und rief inbrünstig nach ihrem Gott, Der war tatsächlich einem kleinen Gespräch nicht abgeneigt.
"Nun, mein Findelkind, was ist denn jetzt schon wieder." Genüsslich räkelte sich der riesige Drache auf seinem gigantischen Hort.
"Ich verliere hier noch den Verstand. Mein Gefährte, den du als dein Mündel angenommen hast, treibt es mit Dämoninnen, mein Auftraggeber ebenso und ich verstehe einfach nicht, was hier meine Aufgabe ist."
"Wirklich nicht?"
"Nein, Meister, wirklich nicht. Wir sollen Böses aus der Welt schaffen, das habe ich verstanden. Jetzt sorgen wir dafür, dass Teufel und Dämonen zusammenkommen."
"Das ist doch gut. Diese Dämonin weiß über deine Vergangenheit Bescheid. Sie ist wichtig. Bleibe auf dem Pfad, mein Findelkind, und lass Dinge geschehen. Ihr beide beeinflusst andere, die wiederum andere beeinflussen. Der Stein teilt das Wasser. Die Kunst besteht darin, damit den Fluss zu lenken."
Wir wurden aus unruhigem Schlummer geweckt. Lilith erklärte uns, dass die Herrin Saira jetzt Zeit für uns hätte und führte uns in einen großen Saal. Der war üppig mit Diwans, kleinen Tischchen und ähnlichem Haremszubehör eingerichtet.
Die Dame das Hauses räkelte sich auf einem Diwan und war eine Attraktion. Sie war sehr weiblich, mit purpurfarbener Haut und ebensolchen Augen, die wir ja schon einmal in der Museumshalle in der Staubsäule gesehen hatten. Der offenherzige Bademantel verbarg nicht viel. Sie winkte uns gnädig zu zwei Sitzplätzen zu ihren Füßen. Dort standen Karaffen mit Getränken, darunter dem Geruch nach auch Kava. Dieses Getränk hatte ich zu schätzen gelernt, um dem Morgengrauen etwas entgegensetzen zu können. Ansonsten gab es Kuchen, klebrige Honigpasteten und andere Süßigkeiten.
Lilith baute sich im Hintergrund auf, für den Fall, dass wir Unsinn vorhatten. Saira begrüßte uns freundlich und fragte nach unserem Begehr. Ich verbeugte mich mit einem formvollendeten Kratzfuß.
"Edle Dame," hub ich an, "wir sind gekommen, um mit unserem Patron zu reden. Er vernachlässigt seine Pflichten in seiner eigenen Ebene, die dadurch Schaden nehmen wird."
"Und wer seid ihr, wenn ich fragen darf?"
"Oh Verzeihung edle Saira, wir sind die Agenten Ghaundar Vandree und Xera S'smaran. Herr Viridicus ist unser Patron."
"Ihr tut das für euren Patron? Müsstet ihr nicht froh sein, dass ihr gerade freie Zeit habt?"
"Natürlich sind wir über freie Zeit froh, aber Herr Viridicus ist ein guter Patron und wir befürchten, dass seine Abwesenheit zu Problemen bei seiner Stellung wie auch bei seiner Taschendimension führen wird."
"Das mit dem 'gut' habe ich aber anders gehört."
"Ach, ihr wisst ja, unzufriedene Elemente gibt es überall. Ich bin mir auch sehr sicher, dass die liebreizende Lilith euch als gute Patronin bezeichnen würde."
Sie lächelte. "Das würde sie bestimmt, ja. Und liebreizend hört sie selten."
Dann wurde sie wieder ernst. "Aber ich habe ihn doch gerade erst wieder gefunden und ihr wollt ihn meinen liebevollen Armen entreißen? Das ist doch nicht nett von euch."
Das hier war ein Spiel. Ein Spiel um hohen Einsatz. Die Frau war die beste Schauspielerin der Welten. Ich legte mein ganzes Charisma in den nächsten Satz.
"Aber wir wollen ihn euch doch nicht entreißen! Ganz im Gegenteil, uns ist nichts wichtiger als euer gemeinsames Glück! Seine Sammlungen sind berühmt und seine Agenten vortrefflich, um Gegenstände in den Welten zu besorgen. Auch ihr könntet jetzt auf diesen gut ausgebauten Apparat an motivierten Agenten zurückgreifen. Was gibt es, was ihr begehrt? Also an materiellen Gütern natürlich. Ich bin mir sicher, das Viridicus alle Hebel in Bewegung setzen wird, um es euch zu besorgen."
Sie sah mich mit einer hochgezogenen und sehr wohlgeformten Augenbraue an.
"Das ist eine Idee, über die ich durchaus nachdenken könnte. Hmm …"
"Ich habe ein Geschenk für Euch. Wisst ihr, was das ist?"
Ich hielt ihr eine Flasche des 'Sternenlichts' entgegen. Lilith wurde unruhig. Ich lächelte ihr zu.
"Bitte, überprüft das." Was sie dann auch tat und es für unbedenklich erklärte.
Dann tauchte unser Patron auf. Er wirkte rechtschaffen unausgeschlafen und war überrascht, uns hier zu sehen. Viridicus trug einen fliederfarbenen Bademantel, der einige Nummern zu klein war. Er sah aus wie eine aufgeplatzte Aubergine, aus der rötlich haariges Fruchtfleisch quoll. Mir war für einen Moment sehr unklar, was diese gottgleiche Schönheit an ihm finden konnte und dann fiel mir seine Verwandtschaft ein. Macht war durchaus ein Anreiz.
Saira wandte sich mit einem schmachtenden Augenaufschlag an ihn.
"Sieh nur Geliebter, deine treuen Agenten suchen nach dir. So sehr vermissen sie dich."
"Tun sie das?", brummte der Teufel. "Gerade jetzt? Wie haben sie überhaupt hierher gefunden!"
"Ja, eure Gönnerschaft, das war nicht einfach, aber wir sind einfach gut. Es tut mir wirklich sehr leid, aber wir müssen euch an eure Pflichten erinnern. Eine Taschendimension ohne ihren Herrn vergeht."
Ich war sehr ernst dabei.
"Warum sammelst du eigentlich all dieses komische Zeug?", fragte Saira.
Viridicus wirkte etwas betreten.
"Nun … also ... die Stücke in den Museen erinnern mich an dich."
Er schaute etwas beschämt zu Boden."
"Och wie süüüüß." Saira sprang auf und fiel ihm um den Hals. "Das würde ich mir gerne ansehen."
Ich nutzte die Gelegenheit, schlang ein Stück Kuchen hinunter und gurgelte eine Karaffe Kava hinterher. Dann kam mir eine Idee.
"Sagt, eure Gönnerschaft. Wenn sich alles zum Guten wendet, braucht ihr doch eigentlich eure Agenten nicht mehr, um Erinnerungsstücke zu beschaffen. Das allerschönste habt ihr ja jetzt und das Original ist unübertrefflich."
Viridicus stutzte für einen Moment und meinte dann: "Das mag stimmen, aber jetzt noch nicht. Natürlich brauche ich die Agenten noch und meine Besten brauche ich auf jeden Fall."
Schade, das war ein guter Gedanke gewesen.
"Aber wenn wir gehen, was passiert dann mit meiner Taschendimension?", wollte Saira wissen.
"Wahrscheinlich das Gleiche wie mit meiner," sagte Viridicus, "aber man könnte ein permanentes Portal erschaffen. Dann wären sie verbunden und wir könnten jederzeit ein und ausgehen und die Fehlzeiten gleichen sich auch aus."
Ich atmete langsam aus. Der kritische Moment war vorüber. Viridicus würde genau das tun und wir hatten ab dann zwei Patrone.
Also machte man sich fertig zur Abreise. Wir spazierten durch den Park zum Wagen. Vor Saira erschien eine steinerne Bogenbrücke, die den Fluss überspannte. Die Mondpiranhas schauten enttäuscht.
Die Wege waren weniger überwachsen, die Tierwelt ließ uns in Ruhe und es wirkte fast idyllisch. Der Radius ihres beruhigenden Einflusses war wohl so zehn Meter, wie ich bemerkte.
Auch die Schlucht wurde von ihrer Brücke überspannt. Man musste sich allerdings etwas beeilen, den hinter ihr löste sich die Brücke sehr schnell wieder auf.
Dann erreichten wir den Wagen, der sehr erfreut war, Viridicus zu sehen. Natürlich fuhr Viridicus. Natürlich kuschelte sich Saira auf den Beifahrersitz. Uns Subalternen blieb nichts anderes übrig, als uns auf der Ladefläche zu arrangieren, was mit den Ausmaßen von Lilith zu einer engen Angelegenheit wurde.
Nach kurzer Fahrt erreichten wir das Heim unseres Patrons. Das sah schon etwas schäbig aus. Die Scheiben der Museen, die einst so strahlend in der Sonne gefunkelt hatten, waren von Patina überzogen, das Gras wirkte schlaff und die Bäume ließen die Blätter hängen.
Am Haupthaus stiegen wir aus. Da der stolze Viridicus seine Saira zu einem Rundgang einlud, wollten wir zu Turkey. Heisere Entsetzensschreie gellten durch den Park, als wir uns zu dritt auf den Weg zum Restaurant machten. Lilith genoss das sichtlich.
Der arme Turkey bekam fast einen Herzinfarkt, als sich die Dämonin durch den Eingang quetschte. Wir beruhigten ihn, erzählten ihm, dass Viridicus wieder da sei und setzten uns zu einem leckeren Mittagessen nieder. Turkey überbot sich ob der glücklichen Nachricht in seinen Kochkünsten. Die restlichen Gäste ließen ziemlich viel Platz um uns herum. Das konnte ich ja überhaupt nicht nachvollziehen.
Turkey hatte auch ein Zimmer für die Dämonin. Dabei erfuhr ich, dass sein Gasthaus über eine recht flexible Zimmergestaltung verfügte und er die Zimmer nach der Größe der Bewohner anpassen konnte. Ich bestellte einen Whirlpool in Übergröße dazu und wurde prompt angemeckert, dass heißes Wasser für sie eine lauwarme Angelegenheit wäre und sie bereits die Schwefelsümpfe von Atzclan vermisse. Na gut, man kann nicht alles haben.
Xera fiel ihre Rüstung ein und so machten wir uns vor dem Abendessen auf den Weg zu Thorfinn. Lilith kam mit, um sich mal die Technik des 'Feindes' anzusehen. Ich glaube, hier ist noch ein wenig Erziehungsarbeit nötig.
Am Himmel des Taschendimension hatte sich etwas geändert: Es dämmerte. Der ewige Sonnenschein war Geschichte. Dafür spannten sich über den Himmel Szenen einer Beziehung, Viridicus und Saira Händchenhaltend am Strand, Viridicus und Saira auf dem Gipfel eine Berges, die Aussicht genießend und so weiter. Mir wurde ob so viel Süßholzraspeln leicht schlecht.
Thorfinn war fertig und präsentierte sein Schmuckstück. Lilith war etwas schlecht gelaunt, weil ihre Häutung bevor stand. Ich hatte eine famose Idee. Wie wäre es mit einer Jacke aus der abgelegten Haut der Geliebten? Sie schaute ein wenig seltsam drein, aber ihre Laune verbesserte sich. Was tut man nicht alles für die zwischenvölkischen Beziehungen!
Mittlerweile war es dunkel. Wir waren gut auf dem Rückweg, um den Pool zu testen, als der unvermeidliche Imp-Bote auftauchte und uns zum Glockenturm bat.
Dort saßen Saira und Viridicus Händchenhalten auf der Brüstung und beobachteten den Nachthimmel. Flüstern und kichern war zu hören. Xera räusperte sich.
"Ach, da seid ihr ja, meine Kinder", säuselte Viridicus. "Saira bat mich, nach euch zu schicken. Sie hatte etwas im Geist von dir", er fixierte Xera, "gesehen, etwas Vergessenes, Verschüttetes. Es scheint damit zu tun zu haben, warum du in der Hölle gelandet bist. Magst du es wissen?"
Xera war völlig überrascht und nickte.
"Gut, Gut. Meine liebe Saira wird dafür in deinen Geist sehen und die Erinnerungen hier im Raum projizieren. Dann ist es für die anderen auch nicht so langweilig."
Xera wirkte auf einmal unentschlossen, aber ich nahm sie in den Arm. "Schau, dann weißt du Bescheid. Bahamut hat es nicht gestört, wie du weißt."
Sie seufzte. "Dann mal los."
Saira gab ihr einen Schluck Ithildim zu trinken, nahm dann ihren Kopf in ihre Hände, lächelte noch einmal aufmunternd und ihre Augen verdrehten sich. In der Mitte des Raums entstand eine Projektion.
Ein kleines blauschuppiges Mädchen steht vor mehreren großen blauen Drachenstämmigen. Dem Alter nach würde ich sie auf 13 schätzen. Die blauen Alten reden auf sie ein und scheinen nicht erfreut zu sein. Das Mädchen hält eine kleine Puppe fest umklammert.
Die kannte ich, denn als ich aus alter Gewohnheit mal Xeras Rucksack am Anfang unserer Beziehung inspiziert hatte, war sie mir in die Hände gefallen. Die Puppe sollte wohl Bahamut darstellen und sie war sehr geliebt worden.
Das Mädchen ist im Wald unterwegs. Sie hat einen kleinen Rucksack dabei und ist offensichtlich auf der Suche.
Und mit Sicherheit von zu Hause abgehauen.
Das Mädchen steht nach längerer Wanderschaft vor einem uralten Gemäuer. Drachenköpfe schmücken den Eingang und dahinter sind gedrungene Gebäude zu sehen. Im Hintergrund sieht man eine abfallende Klippe, an deren Rand das Kloster gebaut wurde. Ein alter freundlicher silberner Drachenabkömmling unterhält sich mit ihr und geleitet sie ins Innere.
Das Mädchen ist in einem Schlafsaal. Außer ihr ist noch ein chromatischer Drache da, ein roter. Der Rest sind junge Metalldrachen, die sie misstrauisch beäugen. Sie sitzen in Lehrsälen, blättern in alten Werken in der Bibliothek und halten Messen zu Ehren Bahamuts ab.
Lilith gähnte sich neben mir einen ab.
Das Mädchen wird wach. Etwas stimmt nicht. Sie ist alleine in ihrem Schlafsaal. Vor Ferne hört man Trommelklang. Es steht auf und geht im Nachthemd auf die Suche. Unter dem Tempel scheint es einen alten Kellerraum zu geben, dessen Türe jetzt offen steht. Sie schleicht vorsichtig nach unten. Jetzt erschallen auch leise Ritualgesänge. Alle jungen und alten Drachen sitzen um einen Beschwörungskreis herum. In der Mitte des Kreises steht einer der Lehrer, ein alter Bronzedrachenabkömmling, der sie nie mochte, in einem chromatischen Gewand!
Das Mädchen zögert einen Moment, geht weiter zur Waffenkammer, die ebenfalls im Keller ist und holt sich dort einen Zweihänder. Die Waffe ist viel zu groß und zu schwer für sie, aber sie trägt sie lässig in ihren Händen.
Sie versucht, den alten silbernen Drachengeborenen zu holen, aber auch dessen Bett ist leer. Sie läuft durch alle Gänge, aber es ist niemand da, der ihr helfen kann. Sie ist alleine.
Was dann kam, überraschte selbst die abgebrühtesten Massenmörder unter den Zuschauern und da saßen und standen einige.
Sie stürmt schreiend in den Raum, das Schwert wirbelt durch die Luft und Arme, Beine und Köpfe hüpfen lustig durch den Keller. Blut spritzt und bildet riesige Pfützen auf dem Boden.
Ich habe ja schon öfter gesehen, was passiert, wenn sie sich aufregt, aber das war außergewöhnlich. Dann erlosch die Projektion. Xera taumelte und Lilith stützte sie, bevor sie stürzen konnte.
"Ich bin beeindruckt", flüsterte die Dämonin, "und das sage ich selten."
Ich nahm Xera in den Arm. "Dein Handeln war richtig. Ich glaube, Bahamut hat deine Erinnerung blockiert, damit du nicht in Schuldgefühlen ertrinkst. Du hast dich als wahre Glaubenskriegerin erwiesen."
"Aber ich bin deswegen in der Hölle gelandet!"
"Schau, ich war auch ein netter, friedlicher und loyaler - gut, das friedlich streichen wir - Dunkelelf, der alles getan hat was ihm seine Kultur vorgegeben hat. Ich bin auch hier. Es wird einen Sinn haben. Dein Gott besucht dich und sagt dir, dass du auf dem richtigen Weg bist. Er hat dir auch einen Hinweis gegeben: 'Nicht alles, was meine Farben trägt, ist auch von meinem Geist'. Kann also alles nicht so schlimm sein."
"Willst du noch einmal zu dem Kloster reisen, um damit abzuschließen?", fragte Viridicus, für seine Verhältnisse sogar recht einfühlsam.
"Ja, ja, ich glaube, das wäre gut", murmelte Xera.
Saira klatschte in die Hände. "Eine famose Idee. Vielleicht kannst du mir etwas mitbringen? Hier fehlt es an Leben. Dort ist auch ein kleiner Hund. Wenn ihr den mitbringen könntet?"
Mir schwante Böses. "Ein kleiner Hund? Wie in 'Hund, wohnt im Haus und macht Kunststückchen'?"
Sie nickte. Ich glaubte ihr kein Wort.
"Er ist etwas unerzogen, aber das bekomme ich hin."
"Hat er drei Köpfe?"
Sie sah mich seltsam an. "Nein?"
Viridicus sagte noch, dass wir den Behemoth für den Transport bekommen würden. Den sollten wir dann aber bitte irgendwo gut getarnt abstellen und das Kloster heimlich erkunden.
Also gingen wir schlafen. Heute einmal ohne Lilith, weil ich morgen früh meinen gesunden Körper brauchen würde. Sie meinte, das wäre in Ordnung, sie würde mit dem Häuten anfangen und da könnte sie keine Zuschauer gebrauchen.